Winterweizen
Getreideanbau im Klimawandel II: Sortenwahl bei Trockenheit und Hitze
Der Klimawandel hat viele Gesichter! Neben dem zunehmenden Dürre-, Strahlungs- und Hitzestress steigen die Gefahren auch durch anderes Extremwetter und wärmeliebende Schaderreger. Wie kann man im Pflanzenbau diesen Risiken begegnen und welche Rolle spielt hierbei die Sortenwahl?
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Im Hinblick auf Ertragsbildung und Sortenwahl ist auch die zunehmende Dynamik der Wachstumsprozesse zu berücksichtigen. Daten des Deutschen Wetterdienstes zeigen, dass im Vergleich zu 1990 das Schossen des Winterweizens ca. 13 Tage eher einsetzt, das Ährenschieben knapp 12 und die Gelbreife gut 16 Tage! Dabei haben sich die einzelnen Wachstumsphasen kaum verkürzt.
Welcher Entwicklungstyp ist zukünftig gefragt?
Um die Vegetationszeit effizient zu nutzen, könnten in den nächsten Dekaden Weizensorten eines neuen Typs Einzug halten: Hinreichend winterharte Wechselformen mit geringem Vernalisationsbedarf, die dank geringeren Tageslängenanspruches früher schossen und blühen.
Während früh blühende Sorten mit fortschreitender Erwärmung generell wichtiger werden, ist die Reifezeit differenzierter anzusprechen: Frühreife ist in Regionen mit regelmäßig früher und schneller Abreife gefragt, ebenso bei Frühsommertrockenheit. Allerdings benötigen frühreife Sorten für hohe Erträge eine gute Jugendentwicklung mit ausreichender Wasserversorgung. Ist diese nicht gegeben, werden die Bestandesdichten zu dünn. Später reifende Sorten hingegen können Niederschläge ab Mai effizient nutzen.
Eine bewährte Züchtungsstrategie im Hinblick auf die Ertragssicherheit sind Sorten, die beides kombinieren: eine zügige Jugend bzw. frühe Blüte bei im Vergleich dazu späterer Abreife, also eine insgesamt verlängerte Kornfüllung.
Entsprechend mannigfaltig wie die Klimaregionen und Zuchtprogramme sind auch die Getreidesortimente Deutschlands. So spreizt sich bei Winterweizen z. B. der Schossbeginn von der frühesten bis zur spätesten Sorte um etwa 10 Tage, die Reife um etwa eine Woche.
Zuchtfortschritt ist „Vergangenheitsbewältigung“
Selektiert, angemeldet und nach drei Wertprüfungsjahren zugelassen werden die Stämme, die mit dem biotischen und abiotischen Stress der Vorjahre am besten zurechtkamen. So ist jeder Sortenjahrgang das Resultat der dazugehörigen Prüfhistorie – und damit auch des Witterungsverlaufs. Das betrifft z. B. Krankheiten, Frost oder Lager – und in den letzten Jahren vor allem Dürre, Hitze und Strahlungsstress. Das bedeutet: Es gibt einen enormen Einfluss der Jahreseffekte auf die Sortenvielfalt und Wechselwirkungen zwischen Sorte und Umwelt.
Jede neue Sortengeneration zeigt daher ein anderes „Sicherheitsprofil“. Beispielsweise wird Winterfestigkeit von neuen Sorten seit Jahren kaum gefordert. Folglich gibt es keine signifikante Differenzierung in den Versuchen und damit auch keine Einstufung!
Risikostreuung mit unterschiedlichen Sortentypen
Starke Jahres- und Standorteffekte auf die Sortenleistung („Genotyp/Umwelt-Interaktionen“) gibt es vor allem beim genetisch sehr komplexen Weichweizen mit seinem sechsfachen Chromosomensatz. Etwas geringer ausgeprägt sind diese Wechselwirkungen bei anderem Wintergetreide, deutlich geringer z. B. bei Sommergerste oder Zuckerrübe. Diese Wechselwirkungen sind ebenso komplex und unberechenbar wie die Jahreswitterung und deshalb immer erst im Nachhinein festzustellen. Bei der Sortenwahl kommt es deshalb darauf an, das Jahresrisiko auf Sorten mit unterschiedlichem genetischen Hintergrund zu verteilen. Das gilt im Hinblick auf Resistenzen genauso wie für Unterschiede bei der Entwicklung und Ertragsstruktur:
Aufgrund der schwindenden Möglichkeiten bei Düngung und chemischem Pflanzenschutz und vor dem Hintergrund des Klimawandels ist die Sortenwahl jetzt noch wichtiger für Ertrag, Qualität und Sicherheit.
Als „Nummer sicher“ gelten langjährig bewährte, vertraute Sorten, zumal diese auch produktionstechnisch keine Herausforderung darstellen. Doch ohne Mut kein Gewinn – hohe Erträge sind von alten „Universalsorten“ kaum zu erwarten. Bei einer chancenorientierten Sortenwahl geht es vor allem um eine schnellere und damit effizientere Nutzung des Zuchtfortschritts. Voraussetzung dafür sind umfassende Auswertungen, Versuche und Informationen des Züchters zu seiner neuen Genetik. Nur so kann ein Betrieb ohne eigene Experimente deren Ansprüche hinsichtlich Standort, Fruchtfolgestellung und Produktionstechnik berücksichtigen.
Regionale Landessortenversuche sind dafür auch zukünftig unverzichtbar. Als Grundsatz gilt: Je repräsentativer die Wachstumsbedingungen eines Versuchs, umso stärker sind dessen Ergebnisse bei der Sortenwahl zu gewichten. Einjährige, lokale Ergebnisse geben schon deshalb kaum Orientierung, weil im Hinblick auf die Sortenleistung die Jahresunterschiede mittlerweile oft größer sind als die Standortunterschiede. Umso wichtiger ist es, gerade nach extremen Vegetationsjahren über den Tellerrand hinaus auf die Ergebnisse anderer Regionen und Jahre zu achten.