p raxisnah: In welchem „Netzwerk“ aus Partnern und Verbänden agiert die Erzeugergemeinschaft?
Folkert Höfer: Unser Netzwerk reicht von Getreidemühlen und Haferschälmühlen über Futtermittelwerke und Mälzereien und natürlich sind auch landwirtschaftliche Betriebe, die Futtergetreide kaufen, hier zu nennen. Einige dieser partnerschaftlichen Beziehungen bestehen schon seit der Gründung 1991.
Ganz wichtig ist aber auch unsere Arbeit in verschiedenen Gremien (z. B. Biolandverband, BVO), wo wir die Möglichkeit haben, unsere Erfahrungen in die Weiterentwicklung des Umfeldes für den ökologischen Landbau einzubringen.
praxisnah: Viele haben in den letzten Jahren umgestellt, die Biobetriebe werden größer und auch der Markt verändert sich. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Höfer: Zu dieser „Umstellungswelle“ konnte es unter anderem auch deshalb kommen, weil erstens die Nachfrage nach Ökolebensmitteln beständig gestiegen ist – und in der Folge zweitens auch eine Nachfrage seitens der Verarbeiter. Dann hat drittens natürlich auch die Politik mit dem Ziel dazu beigetragen, den Ökologischen Landbau auszuweiten. Es gibt nach meiner Beobachtung aber eine Flucht aus dem konventionellen Anbau: Zunehmende Auflagen, eine zunehmend geringere Anzahl zur Verfügung stehender Betriebsmittel und die sinkende gesellschaftliche Anerkennung haben dazu beigetragen. Das alles zusammen hat zu einer Gemengelage geführt, in der sich viele die Frage gestellt haben, ob man nicht einen neuen Weg gehen sollte, der mehr Zukunft hat.
Für Öko-Korn-Nord aber bedeutet das: neue Flächen, neue Kunden und auch neue Mitbewerber. Denn auch der klassische Handel hat dieses Feld für sich entdeckt.
praxisnah: Ist das gut oder schlecht, wenn Bioware in großem Stil zu moderaten Preisen im LEH angeboten wird?
Höfer: Alles hat zwei Seiten: Wenn die Ziele für Ökoflächen erreicht werden sollen, auch als politisches Ziel, geht es kaum ohne den Lebensmitteleinzelhandel. Wenn Qualitätsfleisch aus ökologischer Produktion mehr Absatz findet, ist das ja erst mal positiv. Aber durch die Umstellungswelle sind die Preise teilweise unter Druck geraten. Von kleinen Biobetrieben mit Direktvermarktung könnten die Kunden Richtung Supermarkt abwandern. Wie sich das weiterentwickelt, kommt auf das Verbraucherverhalten an. Solche Zielkonflikte wurden und werden auch im Kreis der Ökoverbände kontrovers diskutiert.
praxisnah: Welche Anforderungen stellen Sie an Ökorohware – im Gegensatz zum konventionellen Handel?
Höfer: So groß ist der Unterschied gar nicht: Hl-Gewicht bei Hafer, Rohprotein und Vollgerste bei Braugerste etc. sind auch bei uns wichtige Parameter. Bei Backweizen spielt bei der Qualitätsbeurteilung neben der Fallzahl der Feuchtklebergehalt eine wichtige Rolle. Und wir achten penibel auf Rückstände und machen gründliche Besatzanalysen.
praxisnah: Welche Ansprüche stellen ökologisch Wirtschaftende an die Sorten, beispielsweise an Getreide?
Höfer: Auch bei uns ist Ertrag sehr wichtig – wie gesagt: Auch der Ökolandbau muss, – um nachhaltig erfolgreich zu sein – wirtschaftlich arbeiten. Aber um Ertrag im Ökolandbau zu realisieren, brauchen wir, die wir keinen chemischen Pflanzenschutz einsetzen und verhaltener düngen, spezielle Sorteneigenschaften. Erstens brauchen wir eine gute Beikrautunterdrückung durch hochwüchsige Pflanzen, einen hohen Blattflächenindex und einen hohen Bodenbedeckungsgrad. Zweitens müssen die Pflanzen gesund sein: Mehltau ist in diesem Anbausystem nicht das Hauptproblem, wohl aber Gelbrost und samenbürtige Krankheiten wie Gerstenflugbrand. Und drittens ist eine hohe Nährstoffeffizienz vorteilhaft, denn wir müssen gute Backqualitäten auch mit wenig Stickstoff hinbekommen. Hier spielen Sorteneigenschaften eine wichtige Rolle!
praxisnah: Sorten, die das alles können, gibt es aber nicht …
Höfer: Stimmt. Daher setzen wir auch auf Sortenvielfalt innerhalb der Kulturart. In den Öko-LSV werden alle wichtigen Eigenschaften inkl. Qualitätsparametern abgeprüft. Aber man muss Sorten mehrjährig beobachten – auch in der Praxis oder auch in züchtereigenen Versuchen.
praxisnah: In den Öko-LSV findet man auch viele Sorten, die aus konventioneller Züchtung stammen. Wird das Ihrer Ansicht nach auch in Zukunft so sein?
Höfer: Konventionelle Züchtung ist für uns im Moment noch sehr wichtig. Wir diskutieren mit Züchterhäusern, formulieren unsere Wünsche und Vorstellungen und die Züchter versuchen dann, vielversprechendes Material in den Versuchen zu platzieren. Wir sehen das als Chance, dass wir hier in Deutschland noch diese Züchtungsvielfalt haben. Hier werden noch kleinere Kulturarten und Populationssorten gezüchtet. Einiges aus dem konventionellen Bereich passt für uns aber nicht, z. B. kurze Sorten, mit erektophiler Blattstellung und einem damit einhergehenden geringerem Unkrautunterdrückungsvermögen. Aber es gibt z. B. sehr gute konventionelle Hafersorten: Die Nordsaat und Bauer sind sehr starke Haferzüchter, die gute Sorten auch für den Ökoanbau haben. Die Ökozüchtung hat für uns eine stark zunehmende Bedeutung: Züchtung auf Standorten und unter Bedingungen des Ökolandbaus, Sicherung der Qualitätsziele unter begrenztem Nährstoffangebot, Resistenz gegen samenbürtige Krankheiten sind hier unter anderem wichtige Zuchtziele.
praxisnah: Gibt es auch für den Ökoanbau neue Märkte, die vielleicht dazu führen, dass neue (Nischen-) Kulturen angebaut werden?
Höfer: Es gibt viele kleine Marktnischen meist im Vertragsanbau z. B. für Emmer, Einkorn, Lein und Hirse. Auch Nackthafer und Nacktgerste haben ihren kleinen Markt. Eher neuer ist Quinoa, das ist ein Foodtrend. Hier im Norden nimmt auch der Anbau von Soja zu, muss sich aber noch einspielen. Da werden sicher neue Sorten auch für mehr Ertragssicherheit sorgen.
Es gibt laufend Veränderungen. Wir kennen die Entwicklungen der kommenden Jahre nicht, welche Ernährungstrends kommen, wie entwickelt sich nach der Coronakrise die Kaufkraft der Menschen? Die aktuellen gesellschaftlichen Debatten über Klima und Artenschutz haben zuletzt dem Ökolandbau Auftrieb gegeben. Es bleibt spannend!
Vielen Dank für das Gespräch.
Über Öko-Korn-Nord Die 1991 gegründete Öko-Korn-Nord ist mit über 100 Mitgliedsbetrieben die größte Bio-Getreide-Erzeugergemeinschaft in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Einige Mitglieder kommen aber auch aus Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Der Schwerpunkt liegt auf Speise- und Futtergetreide, Futterkörnerleguminosen und Saatgutproduktion als VO-Firma und Saatgutaufbereitung. Alle Mitglieder müssen gleichzeitig Mitglied eines deutschen Ökoanbauverbandes sein, was bedeutet, dass für die Mitglieder höhere Anforderungen gelten, als es die allgemeinen EU-Richtlinien fordern. Zurzeit sind ca. 80 % im Verband Bioland organisiert. Es besteht eine Bioland-Rohwarenpartnerschaft. |