Sehr unterschiedliche Wuchsbedingungen in den Prüfjahren
Die Prüfjahre 2020 bis 2022 verliefen sehr unterschiedlich: Das Erntejahr 2020 begann in vielen Regionen mit nassen Bedingungen. Insbesondere im Norden und Westen Deutschlands fiel zwischen September und Mitte November übermäßig viel Regen, während viele Teile des Ostens erneut unter Wassermangel litten. Nach einem feuchten Herbst folgte einer der mildesten Winter, gefolgt von erneuter Trockenheit im Frühjahr und einem späten Kälteeinbruch. Die ersten Monate der Saison 2020/2021 waren durch einen starken Wintereinbruch mit tiefen Minusgraden und viel Schnee gekennzeichnet. Darauf folgte eine Phase mit erhöhten Temperaturen, bevor es von April bis weit in den Mai hinein ungewöhnlich kühl blieb. Die reichlichen Niederschläge im Frühsommer erhöhten den Lagerdruck und das Fusariumrisiko beim Weizen. Das Einstrahlungsdefizit führte häufig zu Problemen bei der Kornqualität und beim Hektolitergewicht von Weizen und Gerste.
Die Aussaat im Herbst 2021 war in den meisten Regionen trotz geringer Niederschläge problemlos möglich, und der darauffolgende Winter gehörte zu den zehn wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn. Dadurch war das Wintergetreide im Frühjahr in einem guten Zustand, jedoch verzögerte eine lange trocken-kalte Phase die Entwicklung. Die Abreife verlief durch Hitze überwiegend zügig. Trotzdem waren die Erträge in den meisten Regionen zufriedenstellend, mit allerdings teilweise sehr niedrigen Proteinerträgen.
Diese grundverschiedenen Witterungsverläufe führten zu deutlichen Unterschieden im Ertragsniveau der einzelnen Jahre. Die neu zugelassenen Sorten haben gezeigt, dass sie unter verschiedensten Bedingungen Vorteile gegenüber den bestehenden Sorten haben und damit einen landeskulturellen Wert versprechen.
Hybridroggen
SU Karlsson ist die einzige neu zugelassene Hybridroggensorte. Sie zeichnet sich durch sehr gute Resistenzeigenschaften hinsichtlich Rhynchosporium, Braunrost und Mutterkorn aus (jeweils APS 4) und überzeugt zudem noch mit sehr hohen Erträgen (8/8). Auch qualitativ überzeugt SU Karlsson: Erstmals ist es hier gelungen, eine sehr gute Fallzahl von APS 7 mit einem hohen Rohproteingehalt von APS 5 zu kombinieren. Auch die Backqualität ist hervorragend, sodass sich diese Hybridroggensorte gleichermaßen als Brot- oder Futtergetreide eignet und in der Praxis so eine große Flexibilität bei der Verwendung erlaubt.
Winterweizen
Im Winterweizen gab es Zulassungen in allen vier Qualitätsgruppen.
In der Qualitätsgruppe (E) hat die begrannte DSV-Sorte Exsal mit ihren sehr guten Backeigenschaften und ihrer starken Blattgesundheit sowie sehr guten Resistenz gegen Ährenfusarium die Zulassung erhalten.
Im A-Weizensegment konnten fünf Sorten ihren landeskulturellen Wert bestätigen. WPB Newton (W. v. Borries-Eckendorf) zeichnet sich durch seinen kurzen, stabilen Wuchs aus und liefert den höchsten Ertrag in dieser Qualitätsgruppe. Auf einem leicht geringeren, aber dennoch hohem Ertragsniveau präsentierte sich LG Optimist. Adrenalin (Saatzucht Streng-Engelen) zeigt eine sehr hohe Volumenausbeute, hat jedoch nur eine mittlere Fallzahl. Die sehr spät ährenschiebende Sorte RGT Dakapo fällt durch seine sehr gute Resistenz gegen Ährenfusarium auf. Ebenfalls später reifend ist die Sorte RGT Kreation, welche eine gute Resistenz gegen Halmbasiskrankheiten, Ährenfusarium und gegen die wichtigsten Blattkrankheiten aufweist.
Für RAGT wurde auch im B-Segment mit RGT Kreuzer eine neue ertragreiche Sorte zugelassen. Auf einem ähnlichen Ertragsniveau in Stufe 2 befindet sich KWS Mintum, wobei dieser einen höheren Ertrag in der Stufe 1 aufweist, jedoch im direkten Vergleich eine geringe Fallzahl hat. SU Tammo (W. v. Borries-Eckendorf) unterscheidet sich von den beiden Vorgenannten deutlich im Proteingehalt und zeigt durch seinen hohen Proteinertrag eine hohe N-Effizienz. Ertragsstärkste Neuzulassung im Jahr 2023 über alle Segment war der frühreife C-Weizen SU Shamal (Nordsaat Saatzucht).
Zulassungen für den ökologischen Landbau
Zusätzlich zu den zehn neu zugelassenen konventionellen Weizensorten wird die Sortenlandschaft durch drei neue Öko-Weizen bereichert. Hierbei konnte RAGT mit der Sorte RGT Dello mit dem Höchstertrag APS 9 (C-Qualität) einen Erfolg verbuchen. Die weiteren beiden Sorten, Brocken und Watzmann, sind Entwicklungen der Saatzucht Bauer und wurden als B-Qualität eingestuft.
Wintergerste
Das Sortenangebot in der Wintergerste ist mit den diesjährigen Zulassungsverhandlungen um drei Mehrzeiler und zwei Zweizeiler erweitert worden. Mit SU Virtuosa von Ackermann Saatzucht und Integral von Secobra sind gleich zwei neue Sorten mit einer Resistenz gegenüber dem Gerstengelbverzwergungsvirus zugelassen worden. SU Virtuosa ist dabei die erste BYDV-resistente Wintergerste, die mit einem hohen bis sehr hohen (8) Kornertrag in Stufe 2 eingestuft wurde. Die dritte mehrzeilige Sorte ist SU Urmel von W. v. Borries-Eckendorf. SU Urmel ist die ertragsstärkste Sorte des gesamten Prüfjahrgangs und kann Höchsterträge mit einer Doppelresistenz gegenüber den Mosaikviren kombinieren.
Ebenfalls von Secobra ist die neue zweizeilige Sorte Comtesse, die einzige Braugerste unter den Neuzulassungen, welche sich durch frühes Ährenschieben bei mittlerer Reife auszeichnet. Hinzu kommt noch die Sorte Aretha (Saatzucht Streng-Engelen), eine sehr ausgewogene zweizeilige Sorte mit sehr hohem TKG und hohen Erträgen.
Wintertriticale
Der Zulassungsjahrgang 2023 besteht in der Fruchtart Triticale aus zwei neuen Sorten. Die Sorte Tributo von der Danko Saatzucht wurde für die Körnernutzung geprüft und zeigte ihre Stärken dabei im Bereich der Blattgesundheit. Während der Ertrag in Stufe 2 nur mit einer 6 benotet wurde, war die Ertragsleistung in der unbehandelten Stufe 1 mit der Note 8 deutlich höher. Verantwortlich hierfür dürften in erster Linie die guten Resistenzen gegenüber Mehltau (2), Rhynchosporium (2), Gelbrost (3) und Braunrost (1) sein.
Die zweite neue Sorte heißt Elephantus PZO (Pflanzenzucht Oberlimpurg) und wurde für den Winterzwischenfruchtanbau zugelassen. Die Sorte zeichnet sich durch mittelhohe Trockenmasseerträge und Trockensubstanzgehalte aus und ist mit guten Resistenzen gegenüber Mehltau und Gelbrost (jeweils Note 2) ausgestattet.
Winterhartweizen
Mit Wintersonne (Südwestdeutsche Saatzucht) gibt es in diesem Jahr nur eine neue Zulassung im Winterdurum. Die Sorte überzeugt mit hohen bis sehr hohen Erträgen (7/8), weist eine sehr stabile Glasigkeit und einen sehr geringen Anteil dunkelfleckiger Körner auf. Auffallend bei Wintersonne sind zudem hohe Bestockungsraten und eine frühe Abreife. Die DON-Gehalte sind laut Infektionstests des Bundessortenamts die niedrigsten aller Sorten.
Es lohnt sich sicher, diese Sorten im eigenen Betrieb auszuprobieren und erste Erfahrungen zu sammeln. Aber oft muss man schnell sein: Bei Neuzulassungen ist Saatgut nicht selten nur knapp verfügbar!