Hintergrund
Wir leben auf dem Boden von dem, was der Boden hergibt. Voraussetzung für die Bodenbildung ist der Humus (organischer Kohlenstoff und Stickstoff ). Die Begriffe „Humus“ und „Organische Bodensubstanz (OBS)“ werden meist synonym verwendet und definiert als „die im Boden integrierte, lebende und abgestorbene organische Substanz“.
Die Bestimmung erfolgt über den organischen Kohlenstoff im Boden (Corg), multipliziert mit dem Faktor 1,724. Kohlenstoff und Stickstoff sind die wichtigsten bodenbildenden Eigenschaften. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Bodeneigenschaften gibt es für Humus keine Richt- oder auch nur Orientierungswerte. Diese Situation ist äußerst unbefriedigend und führt zwangsläufig zu völlig unrealistischen Vorstellungen und Irritationen. Sie bietet Raum für Spekulationen und „kriminellen Handel mit CO2-Zertifikaten“ (ZEIT ONLINE, 13. 12. 2012). In den letzten Jahren wird Humus vielfach als „Klimaretter“ gesehen und CO2 ist zu einem lukrativen Handelsobjekt geworden. Laien, Medien, Politiker, aber auch Wissenschaftler, verbreiten diesbezüglich Fehlinformationen, z. T. auch großen Unsinn, vielfach verbunden mit einer Diskriminierung der Landwirtschaft (vergl. www.agrarfakten.de).
Hier nur einige Beispiele:
➤ „Ein weltweiter Humusaufbau von nur einem Prozentpunkt könnte 500 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre holen.“ (Scheub/Schwarzer, 2012)
Eine Größenordnung jenseits jeder Realität.
➤ „jährliche Kohlenstoffverluste der Ackerböden in der EU von 3 %“ (Leopoldina, 2012)
Eine Aussage, die schon rein rechnerisch völlig unhaltbar und zweifelsfrei widerlegt ist.
➤ „Böden mit einem Gehalt an organischer Substanz von weniger als 3,6 % befinden sich im Vorstadium der Wüstenbildung.“ (EU-Kommission, 2003) und „Unsere gesamten europäischen Ackerböden sind Wüsten“ (ZDF, 2009)
In diesen Wüsten konnten allerdings die Erträge in den letzten Jahrzehnten verdreifacht werden. Dauerfeldversuche sind eine unverzichtbare experimentelle Voraussetzung für eine praxisorientierte Humusforschung hinsichtlich
der möglichen/notwendigen Humusgehalte im Hinblick auf Klimawirkung (Kohlenstoffspeicherung), Ertrag und Umwelt.
Dauerhumus – Nährhumus
Humus wird seit jeher in die Fraktionen Dauerhumus und Nährhumus unterteilt. Diese Differenzierung wird heute für praktische Belange kaum noch beachtet und fast ausschließlich der Gesamtgehalt an Humus gewertet, was zwangsläufig zu Fehlinterpretationen führt. Dauerhumus ist eng mit dem Tongehalt des Bodens korreliert und praktisch nicht zu beeinflussen. Nur der Nährhumus kann durch Bewirtschaftungsmaßnahmen variiert werden. In der Abb. 1 ist die Differenz zwischen dem jeweils ungedüngten Prüfglied und dem optimal organisch und mineralisch gedüngten Prüfglied am Beispiel von 18 europäischen Dauerfeldversuchen dargestellt. Die Corg- Gehalte der ungedüngten Prüfglieder liegen etwa 0,1 % Corg über dem Dauerhumusniveau. Insgesamt wurden 89 internationale Dauerfeldversuche ausgewertet (Tab. 1).
Die Gehalte an Gesamt-Corg im Bearbeitungshorizont liegen bei 89 Dauerfeldversuchen zwischen 0,22 % Corg und 4,17 % Corg. In 40 von 89 Versuchen beträgt der Gesamt- Corg-Gehalt der optimal organisch und mineralisch gedüngten Varianten weniger als 1 % Corg (= 1,724 % Humus). Das trifft u. a. für viele Sandböden zu. So ist z. B. der Sandboden in Thyrow bei Berlin (eine Versuchsstation der Humboldt-Universität) mit einem Corg-Gehalt von 0,7% bereits gut versorgt, ein Corg-Gehalt von 1 % ist aber weder sinnvoll noch praktisch möglich. Im Gegensatz dazu ist auf der Schwarzerde in Bad Lauchstädt ein Corg-Gehalt (ungedüngt) von 1,57 % ein Zeichen völliger Verarmung. Die Differenz zwischen „ungedüngt“ und „optimal organisch und mineralisch gedüngt“ beträgt im Mittel der 89 Versuche 0,3 % Corg.
Praxisanwendbare Methoden zur Bestimmung von Dauer- oder Nährhumus gibt es nicht. Dauerhumus wird von den über viele Jahre ungedüngten Prüfgliedern von Dauerfeldversuchen abgeleitet und definiert als „Humusgehalt, der unter natürlichen Bedingungen bei Unterlassung jeglicher Düngung, besser Schwarzbrache, nicht unterschritten wird.“ Absolute Gehalte sagen nichts über den Versorgungszustand des Bodens aus, gegenwärtig kann nur mit der Humusbilanzierungsmethode die Versorgung der Böden mit organischer Substanz ausreichend sicher eingeschätzt werden.
Ertragswirksamkeit von Humus
Im vergangenen Jahrhundert konnte in umfangreichen Auswertungen von insgesamt 1.100 Dauerfeldversuchsjahren nachgewiesen werden, dass die bodenverbessernde Wirkung des Humus, d. h. die Wirkung, die nicht allein mit der Zufuhr von Nährstoffen erreicht werden kann, auf Sandböden bis zu 10 % und auf Lehmböden bis zu 6 % Ertragsvorteil bringt (Scholz, 1978). In den vergangenen Jahren sind die Erträge erheblich angestiegen und mit den Erträgen auch die auf dem Acker verbleibenden Ernte- und Wurzelrückstände (EWR). Eine Ertragserhöhung von 10 dt/ha bei Getreide entspricht einer Zunahme der EWR von 2 dt/ha, außerdem entsprechen 10 cm Stoppellänge einer Strohdüngung von 10 dt/ha. Aktuelle Ergebnisse von insgesamt 350 Vergleichen bestätigen den Ertragsvorteil der kombinierten organisch-mineralischen Düngung im Vergleich zur ausschließlich optimalen Mineraldüngung von 6 %, auch für das Ertragsniveau des 21. Jahrhunderts.
Gleichzeitig wird deutlich, dass die Diskussionen um einen optimalen Humusgehalt und die Humusbilanzierung Ertragsunterschiede von weniger als 6 % betreffen. Die Mineraldüngung sichert über die hohen Erträge die Ernährung der Menschen und ist auch Basis einer ausreichenden Humusversorgung.
Kohlenstoffspeicherung im Boden
Die Vorstellung, den Boden als Kohlenstoffsenke zu nutzen, ist weder sinnvoll noch praktikabel. Eine Erhöhung des Corg-Gehaltes im Boden um 0,1 % im Bearbeitungshorizont, das entspricht 4 bis 5 t/ha Kohlenstoff, erfordert bei einer Akkumulation von 10 % und rund 40 % C in der Pflanzentrockenmasse einen Aufwand von 100 bis 120 t/ha Pflanzentrockenmasse. D. h., um den Corg-Gehalt um nur 1 t/ha zu erhöhen, sind 25 t Pflanzentrockenmasse notwendig. Gegenwärtig werden bereits alle Humusquellen wie Stroh, organische Dünger der Tierproduktion, Gründüngung, Komposte, schadstofffreie Abfälle etc. zur Humusreproduktion genutzt. Zusätzliche C-Akkumulation setzt also zwangsläufig entsprechend gesteigerte Pflanzenproduktion voraus. Der notwendige C-Input von jährlich 4 ‰, wie er in der Initiative der französischen Regierung 2015 geplant ist, übersteigt die Möglichkeiten um ein Vielfaches. Eine Erhöhung des Humusgehaltes über das standort- und bewirtschaftungsbedingte Optimum hinaus, bringt weder für Ertrag noch Umwelt Vorteile.
Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Martin Körschens ist Diplomlandwirt. Er hat viele Jahrzehnte, seit 1992 bis zu seiner Pensionierung im UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, an praxisrelevanten Problemen der Humusforschung, u. a. auf der Basis der Ergebnisse von mehr als 100 internationalen Dauerfeldversuchen, gearbeitet. Er hat bisher mehr als 250 wissenschaftliche Arbeiten publiziert. Körschens ist Ehrenvorsitzender des Förderverbandes Humus e. V. und Mitautor der Internetplattform www.agrarfakten.de. |