Stadtnäher kann die Lage eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht sein: Am Ende einer Wohnstraße in Aschaffenburg liegen der Milchviehbetrieb und der Hofladen der Familie Brunner. Für alle, die den Hofladen besuchen, ist der Boxenlaufstall frei einsehbar. Die ca. 80 Milchkühe plus Nachzucht (ca. 80 % Schwarzbunte, 20 % Fleckvieh) liegen auf einem Kalk-Stroh-Gemisch. Die Entscheidung, einen Melkroboter anzuschaffen, hat hier niemand jemals bereut. Die Tiere werden in einer kleineren Schlachterei in Aschaffenburg geschlachtet, die Hälfte davon wird als Wurst, Grillgut oder Ähnliches im Hofladen vermarktet. Diese Regionalität, die kurzen Wege, aber auch die Tatsache, dass das Futter komplett selbst erzeugt wird, ist der Familie Brunner auch mit Blick auf die Kommunikation zu den Kunden sehr wichtig. Im Laden werden auch die Eier der in mobilen Ställen gehaltenen ca. 700 Legehennen direkt vermarktet.
Diese Stadtlage ist zwar für die Direktvermarktung vorteilhaft, eine Stallerweiterung ist aber ebenso ausgeschlossen wie ein Freigang der Tiere. Auch die Flächen sind nicht alle arrondiert und die Hektarzahl der Schläge ist meist einstellig. Die Bodenpunktzahlen reichen von knapp 20 bis gut 80, das meiste sind Verwitterungsböden über Sandstein und Gneis und zudem sehr steinig.
Seit 15 Jahren ausschließlich heimisch erzeugtes Eiweiß
Schon vor über 15 Jahren ersetzte der „Seniorchef“ Burkhard Brunner die Importsoja durch heimisch erzeugtes Eiweiß. „Ich bin seinerzeit diesen Schritt aus Überzeugung gegangen, denn die gesellschaftliche Diskussion ging damals schon gegen Soja aus Übersee und darauf wollte ich mich als Direktvermarkter nicht einlassen. Ich habe es dann zunächst mit genfreier Importsoja probiert, das war mir aber schlicht zu teuer“, erläutert er seine damaligen Beweggründe. Mit selbst angebauter Soja hat es allerdings bisher nicht so recht geklappt: „Die Erträge schwanken extrem. Wir haben es 2018 und 2019 wieder versucht, da hatten wir zwischen 1,8 und 2,7 t/ha und dann noch eine hohe Restfeuchte. Die Ernte der Sojabohnen war dann erst Ende Oktober und die durch das Impfen relativ aufwändige Aussaat fällt bei uns zudem in eine Arbeitsspitze. Besonders in diesem kalten Frühjahr waren wir heilfroh, die Sojabohne nicht wieder angebaut zu haben.“
Auch die Ackerbohne hat ein Versuchsjahr hinter sich, aber die passe einfach nicht in dieses Klima, meint „Juniorchef“ Schorsch Brunner: „Wir sind hier in einer der trockenen Lagen Bayerns, wir bringen es im langjährigen Schnitt kaum auf 650 mm Jahresniederschlag. Das ist nichts für die Ackerbohne.“
Erbse hat hier viele Vorteile
Und mit Futtererbsen fährt man hier ganz gut, denn diese Kultur bringt einiges an Vorteilen mit: „Die Erbse passt hier gut hin. Sie ist viel genügsamer hinsichtlich knapper Niederschläge, die Erträge schwanken zwar auch, sind aber doch viel stabiler als bei der Sojabohne. Die Ernte im August passt uns auch besser. Die Produktionskosten sind zudem deutlich geringer als bei der Sojabohne.“ Allen grobkörnigen Leguminosen ist gemein, dass sie in Bayern durch das KULAP-Programm gefördert werden, was ihre Wirtschaftlichkeit absichert.
Die Erbse steht hier vorwiegend auf den leichten, jedoch nicht auf extrem leichten Standorten und das maximal alle 6 Jahre. Ende März ist die Aussaat, die mit 70 Kö/m² durchgeführt wird. Im Vorauflauf wird auf den „klassischen“ Schlägen 3 l/ha Bandur® gespritzt. Einige Flächen sind jetzt jedoch als Vorrangflächen ausgewiesen, auf denen vollständig auf Pflanzenschutz verzichtet werden muss. „Das Striegeln haben die Erbsen hier ganz gut weggesteckt“, findet Georg Brunner: „Die paar Lücken schließen die Pflanzen sehr schnell. Ich bin sehr gespannt, wie sich diese Bewirtschaftung auf die Erträge auswirkt. Das Wichtigste mit Blick auf die Futterqualität ist aber, dass die Erbsen bis zur Ernte stehen bleiben. Denn wir haben hier steinige Böden: Neben einem meist mit Lager einhergehenden Qualitätsverlust kämen hier dann auch noch die Verschmutzung durch Steine und der höhere Maschinenverschleiß hinzu. Da habe ich mit der standfesten Sorte Astronaute sehr gute Erfahrungen gemacht, da gab es noch nie Schwierigkeiten.“
Pro Tag nur 10 Minuten für Erbsenschrot „just in time“
Die Ration pro Kuh: 0,7 kg Stroh, 27 kg Maissilage, 9 kg Grassilage, 0,8 kg Wintergerste, 30 g Salz, 120 g Mineralfutter, Heu ad libitum, Eiweißträger sind 9 kg Biertreber, 1,3 kg Erbsen, 0,8 kg Rapslein. Im Melkroboter erfolgt die leistungsangepasste Fütterung mit Raps- und Leinkuchen sowie Gerstenschrot.
Die Erbsen werden jeden Tag frisch gequetscht und in der Grundration verfüttert, ohne weiter aufbereitet zu werden. Den Arbeitsaufwand hierfür schätzt Brunner auf ca. 10 Minuten. Das Erbsenschrot wird mit Gerstenschrot gemischt.
Die durchschnittliche Herdenleistung beträgt zurzeit rund 10.700 l pro Kuh und Jahr. „Wir sind nicht nur mit der Milchleistung und der Milchqualität zufrieden, sondern auch mit der Gesundheit der Tiere. Wir haben hier auch nur maximal einmal im Jahr den Klauenschneider. Bei der Fruchtbarkeit und Lebenszeit der Kühe gibt es ebenfalls nichts zu meckern“, zeigt sich Schorsch Brunner mit Blick auf die vor dem Roboter ruhig wartenden Tiere zufrieden.
Flexible Ration
„Natürlich muss man sehen, dass die Rohproteinqualität der Erbse im Vergleich zur Ackerbohne und besonders zur Soja schlechter ist. Das kann man in einer TMR-Mischung aber sehr gut ausgleichen. Auch Aminosäuren müssen wir bei dieser Ration nicht extra hinzufügen, obwohl Erbsen ja relativ aminosäurearm sind“, bewertet der Landwirt. Besonders auf den Vorrangflächen könne es sein, dass der Ertrag stärker schwankt. Aber in diesem Fall könne die fehlende Menge des Eiweißträgers durch Biertreber und Rapslein ausgeglichen werden.
Trotzdem ist die Sojabohne noch im Blick
So ganz aufgegeben haben die Brunners die Sojabohne als Alternative – eben wegen des hochwertigeren Eiweißes – noch nicht. Die Brunners haben da eine klare Wunschliste für die Züchterhäuser: „Wenn wir hier erfolgreich Soja anbauen wollen, dann müssen die Sorten eine gute Jugendentwicklung haben, kältetoleranter sein und vor allem nicht bei später N-Nachlieferung und später feucht-warmer Witterung während der eigentlichen Abreife noch mal nachgrünen. Also wir brauchen insgesamt bei den Sojasorten zukünftig eine höhere Umweltstabilität! Und solange wir diese Eigenschaften noch nicht haben, bleibt die Erbse hier gesetzt.
„Die Erbse passt in die Region und auf diesen Betrieb!“
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Text: Dr. Anke Boenisch, Jan Röttjer
Tel. 0511-72666286
jan.roettjer@saaten-union.de
Bilder: praxisnah
Der Text ist erstmalig in der praxisnah 4/2021 erschienen.