Wenn die Zuckerrübe die Königin der Feldfrüchte ist, so ist der Weizen der König. Nirgendwo auf der Welt findet er bessere Bedingungen vor als im gemäßigten Klima Deutschlands, Frankreichs oder Englands. Von den rund 6 Mio. ha Getreide in Deutschland ist über die Hälfte Winterweizen; auf Kosten der „kleinen" Getreidearten hat er in diesem Jahr nochmals 2 % Anbaufläche zugelegt. Auch Winterraps hat mit jetzt fast 1,5 Mio. ha mächtig aufgeholt; viel mehr dürfte aus Fruchtfolgegründen kaum drin sein. Körnermais (inkl. CCM) kommt mit 470.000 ha nicht annähernd an den Weizen heran.
Der Königin hat eine neue Rübenmarktordnung etwas von ihrem Glanz genommen. Aber auch der König könnte neuen Schwung gut gebrauchen:
- Anders als der Mais bringt der Weizen seit Jahren keinen deutlichen Ertragszuwachs mehr.
- Russland, die Ukraine und Kasachstan sind eine ernstzunehmende Konkurrenz auf angestammten Exportmärkten geworden.
- Mit Hilfe der Gentechnik wollen Amerikaner und Australier ihren Weizen wieder wettbewerbsfähiger machen.
Stockender Ertragszuwachs
Seit Mitte der neunziger Jahre schwächt sich der Ertragsfortschritt bei Weizen offenbar ab – und keiner weiß so recht, woran das liegt. Im Mittel der 45 Jahre von 1961 bis 2006 legte der Weizen in Deutschland zwar um 1,1dt/ha jährlich im Ertrag zu. Betrachtet man aber die zehn Jahre von 2000 bis 2009, betrug der Ertragsfortschritt nur noch 0,45 dt/ha und Jahr. Wenn die Ernte 2010 hält, was die Bestände versprechen, fällt der Ertragszuwachs statistisch wieder etwas höher aus. Aber es bestätigt sich, was schon die letzten Jahre gezeigt haben: Die Erntemengen schwanken stärker. Auf die Frage, warum der Weizen nicht so recht weiterkommt, sind vor allem zwei Antworten im Angebot.
- Den Pflanzenzüchtern macht ihr Geschäft mit den nachbaufähigen Kulturen immer weniger Freude. Der schwindende Anteil an Z-Saatgut wird von den Pflanzenzüchtern als ein Argument für den stagnierenden Ertragsfortschritt in der Praxis angeführt, weil sich die Züchtung immer weniger auszahle. Umso mehr Freude bereitet demgegenüber das Geschäft mit den Hybriden. Der Zuchtfortschritt bei Mais, Rüben und Raps ist deshalb größer und wird sich künftig noch deutlicher vom Getreide abheben. Hybridroggen ist mit einem jährlichen Zuwachs von 1,5 bis 2 % die Ausnahme. Auch Hybridweizen liegt in den Landessortenversuchen regelmäßig an der Spitze. Dass er sich bei uns bislang nicht durchsetzen konnte, liegt an der teuren, weil gesetzlich eingeschränkten Saatgutproduktion.
- Pflanzenbauer fragen eher nach dem veränderten Anbauverhalten der Landwirte als Ursache für stockende Ertragsfortschritte. Sind es die immer engeren Fruchtfolgen, die weniger intensive Bodenbearbeitung und damit einhergehend neue Probleme beim Pflanzenschutz? Oder erklären vielleicht die nachweisbar zunehmenden Wetterkapriolen die stärker schwankenden Erntemengen? Diese Argumente müssten eigentlich auch für die anderen Kulturen gelten – aber der Weizen dominiert nun mal unsere Fruchtfolgen.
Zunehmende Exportkonkurrenz
Schon jetzt haben die so genannten „Schwarzmeerländer" die USA als weltweit führenden Weizenexporteur abgelöst. Russland, die Ukraine und Kasachstan bedrängen auch uns: Auf unserem Hauptabsatzmarkt Nordafrika konkurrieren sie direkt mit Europa, weil sie nicht nur beim Preis, sondern auch bei den Frachtkosten punkten können. Zwar geht nur ein kleinerer Teil der erzeugten Mengen in den Export – in der EU ist es beim Weizen etwa ein Siebtel. Aber die Exporte machen den Preis, weil sie sonst als Überschüsse den Markt insgesamt nach unten ziehen. Futterweizen aus der EU ist kaum mehr konkurrenzfähig. Speziell in Deutschland haben wir glücklicherweise einen Vorteil: Gute Backweizen ab etwa 12 % Eiweiß sind eher knapp und daher auf den Exportmärkten gefragt.
Gentechnik bei Weizen?
In den USA wächst seit Jahren die Anbaufläche von Mais und Sojabohnen auf Kosten des Weizens. Dies hängt mit der Nachfrage nach Futtermitteln und Energie zusammen, aber auch mit dem Zuchtfortschritt. Der Mais marschiert mit jährlichen Ertragszuwächsen von 2 dt/ha und mehr voran und dies auch ohne Gentechnik. Eine Ursache dafür ist seine Blütenbiologie, die ausgeprägte Heterosiseffekte erlaubt. Wenn dann noch die Gentechnik hinzukommt als Mittel über Schädlingsresistenzen die Folgen eines intensiven Maisanbaues abzumildern, werden die Starken erst recht stärker und die Schwachen noch schwächer. Im vergangenen Jahr haben deshalb Konzerne wie Monsanto, BASF und Bayer angekündigt, den Weizen mittels Gentechnik wieder wettbewerbsfähiger gegenüber anderen Kulturen machen zu wollen. In erster Linie beziehen sich diese Arbeiten auf Trockenresistenz. Sorten dürfte es erst gegen Ende des Jahrzehnts geben.
Die offene Frage dabei ist, wie die Märkte darauf reagieren: GVO-Weizen als Nahrungsmittel ist etwas anderes als GVO-Mais als Futtermittel. Mais und Soja werden vor allem aus den USA, Brasilien und Argentinien exportiert, was das derzeitige „Gentechnik-Monopol" erklärt. Weizen dagegen kommt aus acht großen Exportländern, und weder die USA noch Australien werden wegen der Gentechnik den Europäern oder Russland den Weizenmarkt überlassen.
Wir sind nur mit Zuchtfortschritt wettbewerbsfähig!
Wir können den Weizen nicht einfach – wie die Landwirte in den USA – durch Mais und Sojabohnen ersetzen. Im Gegenteil: Weizen ersetzt bei uns zunehmend die kleineren Getreidearten. Wir müssen weiterhin im Export mithalten können, weil dieser unsere Preise ganz wesentlich beeinflusst. Der Ertragsfortschritt bei unserer wichtigsten Frucht könnte deshalb besser sein; gerade der Klimawandel fordert neue Züchtungsanstrengungen.
Die leider nach wie vor offene Frage ist, wer diese bezahlen soll. Es kann doch nicht sein, dass Zuchtfortschritt nicht mehr stattfindet, weil er nur über Hybridsaatgut oder über Gentechnik-Lizenzen finanziert werden kann!
Thomas Preuße