Die Beobachtung, dass die Wintergetreidearten Perioden mit extremen Witterungsbedingungen besser kompensieren können, legt die Frage nah: Kann Winterbraugerste insbesondere in Regionen mit geringen Sommerniederschlägen einen Beitrag zur Sicherung der Braugerstenversorgung leisten? Dr. Markus Herz, LfL Bayern, argumentiert vor dem Hintergrund des Klimawandels. Eine höherere Ertragsstabilität, bessere Ausnutzung der Bodenfeuchte und die bessere Ertragsstabilität sind einige gute Argumente.
Unterschiede in Ertrags- und Qualitätsstabilität
Extreme regionale Unterschiede in der Niederschlagshöhe und -verteilung führten bei Sommergerste in den letzten Jahren lokal zu sehr starken Schwankungen in Ertrag und Qualität (Abb. 1). Auch zunehmendes Auftreten des späten Blattflecken-Komplexes der Gerste führt zu Einbußen. Dieses Schadbild steht im Zusammenhang mit erhöhter Sonneneinstrahlung und dem Befall mit dem Pilz Ramularia colly cygni. Solche witterungsbedingten Unsicherheiten in der Produktion von Sommergerste nehmen zu. Bei Wintergerste sind stressbedingte Symptome insgesamt weniger stark ausgeprägt und die Auswirkungen auf den Ertrag fallen weniger ins Gewicht. Selbst im Extremjahr 2008 war dies der Fall. Denn Wintergerste kann durch ihre längere Vegetationszeit einiges an Stressfaktoren während des Sommers ausgleichen. Insbesondere das schon frühzeitig gut entwickelte Wurzelsystem kann auch unter trockenen Bedingungen noch Wasser und Nährstoffe aus dem Boden ziehen. Durch die frühere Ernte fallen Niederschläge im Spätsommer, die in den letzten Jahren die Sommergerstenernte häufig beeinträchtigt haben, als qualitätshemmender Faktor weniger ins Gewicht.
Ökologische Gesichtspunkte nicht vergessen
Die reguläre Saatzeit für Wintergerste ist Mitte bis Ende September. Durch die vergleichsweise frühe Aussaat geht sie meist bereits gut entwickelt in den Winter. Dieser Wachstumsvorsprung macht die Wintergerste generell zu einer Fruchtart, die viel zum Boden- und Grundwasserschutz beiträgt. Die frühe Bodenbedeckung sorgt für eine Verminderung des Bodenabtrags. Mehrjährige Versuche zeigten bereits 1991, dass unter Wintergerste der Nitratgehalt im Grundwasser geringer ist, als bei anderen Wintergetreidearten. Das schon im Herbst gut ausgebildete Wurzelsystem kann bis zu 80 kg Stickstoff binden (Abb. 2). Damit ist diese Winterung auch unter dem ökologischen Gesichtspunkt eine interessante Bereicherung in der Fruchtfolge.
Malzqualität neuer Wintergerstensorten deutlich verbessert
Derzeit zeigen unter den zugelassenen Sorten nur zweizeilige Formen der Wintergerste die gute Kombination von Malzqualität und Ertrag, die sie für den Anbau als Winterbraugerste interessant macht. Die Malzqualität der zweizeiligen Wintergerste konnte durch die Anstrengungen der Pflanzenzüchtung in den letzten Jahren deutlich verbessert werden. Insbesondere die Eiweiß- und Zellwandlösung haben sich bereits gut an die Werte der Sommerbraugerste angenähert. Die neueren Sorten zeigen in den Versuchsergebnissen über alle Orte eine gute Malzqualität (Tab. 1). Abstriche müssen teilweise noch im Extrakt und der Viskosität gemacht werden, jedoch ist grundsätzlich eine gute Verarbeitbarkeit gegeben. Die stärkere Trübung von Bieren aus Wintergerstenmalz ist für einige Biersorten wie z. B. Weißbier oder naturtrübe Sorten sogar vorteilhaft. Durch die wiederaufkommende Diskussion über die Winterbraugerste und die verbesserte Qualität, ist auch die Akzeptanz bei Mälzern und Brauern leicht gestiegen.
Vorsicht bei der N-Versorgung
Ein hohes Qualitätsniveau mit geringem Rohproteingehalt kann nur durch eine angepasste Anbaustrategie mit besonderem Augenmerk auf die Stickstoffdüngung erreicht werden. Bereits bei der Standortwahl muss darauf geachtet werden, dass der Boden nicht zu viel organisch gebundenen Stickstoff enthält, der während der Vegetation unkontrolliert freigesetzt wird. Wirtschaftsdünger sollte aus demselben Grund wenn dann nur vorsichtig eingesetzt werden. Für Vieh haltende Betriebe kommt die Produktion von Winterbraugerste deshalb nur in Ausnahmefällen in Frage. Die reduzierte Intensität bei der Düngung wirkt sich mit einem mittleren Ertragsrückgang von ca. 10 % gegenüber der ertragsorientierten Bestandesführung aus. Die aktuellen Winterbraugersten erreichen auch in der intensiven Behandlungsstufe der Landessortenversuche nur durchschnittliches Ertragsniveau. Aber sie bieten die Option, sich die Verwertungsrichtung noch relativ lange offen zu halten: Bei Winterbraugerste kann man die Entscheidung für die dritte N-Düngung erst im Frühjahr treffen, wenn die Marktlage besser abgeschätzt werden kann.
Da jedoch der Anteil an Winterbraugerste in der Verarbeitung insgesamt noch recht gering ist, empfiehlt es sich, Winterbraugerste nicht ohne einen Abnahmevertrag anzubauen. Attraktiv wird der Anbau von Winterbraugerste für den Landwirt dann, wenn der Unterschied im Ertrag und die bessere Qualität durch einen Erzeugerpreis vergütet wird, der sich deutlich vom Niveau der Futtergerste abhebt.
Fazit
- Wintergerste bietet bei extremen Klimaschwankungen im Sommer eine höhere Ertragsstabilität als Sommergerste.
- Die Bodenfeuchte im Winter und zum Vegetationsbeginn wird optimal ausgenutzt.
- Gerade in Jahren mit Trockenperioden besteht eine höhere Ertragssicherheit.
- Die Malzqualität der neuen Sorten hat bereits ein hohes Niveau erreicht.
- Winterbraugerste sollte die Sommerbraugerste nicht ersetzen, leistet aber einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit einheimischen Rohstoffen.
- Eine gute Malzqualität ist bei sorgfältiger und angepasster Bestandesführung gut zu erreichen.
- Hinsichtlich des Bodenschutzes und der Gefahr von Trockenheit stellt Winterbraugerste eine gute Alternative zur Sicherung der Braugerstenversorgung dar.
Dr. Markus Herz