Die Ertragsentwicklung in den beiden großen Roggenregionen Niedersachsen und Brandenburg lässt keine andere Schlussfolgerung zu: Die Jahrzehnte kontinuierlicher Ertragsfortschritte sind seit 2001 vorbei, seitdem stagniert die Ertragsentwicklung bei extrem heftigen Ausschlägen (als Beispiel siehe Niedersachsen Abb. 1).
Die Ertragshöhe und Ertragsstreuung der Getreidearten sind allerdings nicht direkt vergleichbar, weil diese aus unterschiedlichen Standorten kommen. So besitzt Roggen ein vergleichbar hohes Ertragspotenzial wie Weizen. Er hat sich in den letzten Jahren jedoch auf die leichtesten Standorte zurückgezogen, wo Trockenphasen besonders starke Ertragsminderungen nach sich ziehen. Auch leidet diese kontinentale Frucht stärker unter den maritimeren Wintern als etwa Wintergerste, die zudem besser mit der Frühsommertrockenheit zurechtkommt. Die Erklärungen für die häufigeren Ertragsdepressionen sind vielschichtig und reichen vom Klimawandel über Nährstoffmangel bis hin zu einer geringeren Bearbeitungs- und PS-Intensität infolge der Agrarreform.
Wie auf wachsende Preis-, Kosten- und Ertragsrisiken reagieren?
Runter mit dem Aufwand, um in schlechten Jahren nicht noch mehr Geld zu verlieren? Oder chancenorientiert um höhere Erträge pokern und die Pflanze von der Beizung bis zur Abschlussdüngung optimal fördern? Wissenschaftliche Simulationsrechnungen zeigen: Stärker streuende Produktpreise oder Faktorkosten haben keinen Einfluss auf die optimale spezielle Intensität. Stärker streuende Erträge schon – diese empfehlen eine eher höhere Intensität (Kuhlmann 2008). Doch welche?
Hierbei ist in erster Linie der Standort zu berücksichtigen. 2004, der Roggenpreis lag noch 50 % unter dem heutigen Niveau (!!), wurde auf Initiative und mit Förderung des Roggenforums ein Ringversuch über mehrere Bundesländer gestartet. Untersucht wurden drastische Einsparvarianten, vom Pflugverzicht bis zur kompletten Herbizid- und Fungizideinsparung. Die Ergebnisse geben den Roggenanbauern sehr praxisnahe Hinweise, weil sie auch von sehr leichten Böden stammen und drei Jahre mit schwierigsten Ertragsvoraussetzungen erfassen.
Die Ergebnisse in Abb. 2 belegen, dass in diesen Umwelten in erster Linie der Standort die optimale Intensität bestimmt. Auf dem sehr ertragsschwachen Standort Bornhof lagen zwischen der Unterdüngung und dem vollen Behandlungsprogramm lediglich 4 dt/ha Ertragsdifferenz, auf dem fruchtbareren Standort Vipperow über 16 dt/ha, in Gülzow bei vergleichbarem Ertragsniveau wiederum nur 9 dt/ha! Auch ist sehr genau zwischen den einzelnen Maßnahmen zu unterscheiden. Der unvermeidliche Herbizidstress wirkte auf dem Grenzstandort Bornhof dreijährig eher negativ, auf dem wüchsigen Standort Vipperow wurden hingegen mit Herbizid 8,6 dt/ha mehr gedroschen. In Güterfelde und Vipperow brachte die einmalige Fungizid-Wachstumsregler-Behandlung in EC 39 10 dt/ha Ertrag, in Gülzow und Bornhof waren es mehrjährig nur 2 bzw. 3 dt/ha! Wohl dem, der seinen Standort kennt!
Während der Pflugeinsatz mit lediglich 1 dt/ha Vorteil gegenüber Mulchsaat keine gesicherten Mehrerträge brachte, war der Sorteneffekt sehr deutlich und zudem standortabhängig. Auf dem 40 dt-Standort Bornhof brachte die Populationssorte Boresto gleich hohe Erträge wie die Hybride Rasant, auf den 60 dt-Standorten war Rasant hingegen um 8-10 dt/ha überlegen.
Zuchtfortschritt ist die beste Versicherung
2008 wurde eine Roggenhybride zugelassen, die dieses Ertragsniveau nochmals deutlich übersteigt: MINELLO. Deren Ertragspotenzial liegt nochmals eine ganze Klasse über der bisher marktführenden Sorte Visello.
Doch kommt dieser Zuchtfortschritt auch in der Praxis an, bringt diese Neuzüchtung auch unter Stressbedingungen und auf schwachen Standorten höhere Erträge? Abb. 3 untersucht zunächst die Stressstabilität, indem die 45 Einzelergebnisse der Wertprüfung in Beziehung zum Ertragsniveau der Einzelversuche gestellt werden. Das Ergebnis:
- MINELLO ist den Verrechnungssorten in allen Umwelten auf extrem hohem Niveau überlegen.
- Diese Sorte legt zu, wo es schwierig wird. So lag der Ertrag auf den beiden 100 dt-Standorten nur 5 % über den Vergleichssorten, bei Ertragsniveaus von 40-60 dt/ha war die Sorte hingegen um 15-20 % besser.
- MINELLO ist auf allen Böden konstant besser als ältere Sorten. Vom 20er Streusand bis hin zu tiefgründigen Standorten mit 95 Bodenpunkten. (Um Jahreseffekte auszuschließen, wurden die Ergebnisse zusätzlich über die Ackerzahl verrechnet (Abb. 4))
- Was bleibt zu tun?
Am Jahr und seinem Standort kann der Landwirt nichts ändern, Düngung und Technik sind weitgehend optimiert, beim Pflanzenschutz drohen eher Wirkstoffverluste als große Innovationen. Der Mehrertrag muss also von der Sorte kommen. Roggenanbauer wirtschaften auf schwierigeren Standorten und sind besonders auf den aktuellen Zuchtfortschritt angewiesen, zumal dieser auch in ersten LSV-Ergebnissen 2008 bestätigt wurde. Neben langjährig bewährten Roggensorten wie ASKARI ist ein Teil der Fläche zur kommenden Aussaat mit der neuen Hochleistungsgenetik zu bestellen. Zuchtfortschritt bedeutet Mehrertrag praktisch umsonst – es gibt nichts zu verschenken!
Sven Böse