Dinkel hat wie der Brotweizen einen hexaploiden Chromosomensatz und ist mit diesem eng verwandt. Im optischen Erscheinungsbild ergeben sich aber erhebliche Unterschiede: die Ähre des Dinkels erscheint flach, zweireihig und schmal. Sie ist in der Regel lang und meist leicht gekrümmt. Bei der Ernte werden keine Körner, sondern Vesen gedroschen. Dies sind die Ährchen mit den dazu gehörenden Spindelgliedern. Die Körner bleiben dabei in den Spelzen, daher auch der Name „Spelzweizen“. Zu den nackten Körnern gelangt man durch einen speziellen Verarbeitungsgang, dem sogenannten „Gerben“.
„Biberacher Knauzenwecken“ – Dinkel-Seelen – Dinkelbier
Die Zahl der Konsumenten, die sich bewusst gesund ernähren und wissen wollen, wo und wie der Rohstoff für ihre Lebensmittel produziert wird, wächst. Man erinnert sich wieder an die gesundheitsfördernde Wirkung des Dinkels, die bereits im 12. Jahrhundert von der Hl. Hildegard von Bingen beschrieben wurde. Und man erkennt, dass der im Vergleich zum Weizen anspruchslosere Dinkel mit weniger Pflanzenschutz und Düngung auskommt.
Viele Bäcker in Süddeutschland haben mittlerweile ein breites Sortiment an Dinkelprodukten im Angebot und informieren ihre Kunden auffallend detailliert über die Kulturart Dinkel. Typische Dinkelgebäcke sind „Biberacher Knauzenwecken“ und „Seelen“, wobei Dinkel mittlerweile auch in vielen Brotsorten und anderen Backwaren enthalten ist. Schwäbische Dinkelspätzle und Dinkelbier zeigen, wie vielseitig einsetzbar diese Getreideart ist.
In der Teigreife geernteter Dinkel, der anschließend auf einer „Darre“ heruntergetrocknet wird, nennt man „Grünkern“. Grünkern findet z.B. in Suppen, Aufläufen und Bratlingen Verwendung. Der wachsende Rohstoffbedarf ist an den steigenden Anbauflächen abzulesen. In Bayern und Baden-Württemberg stieg die Anbaufläche im vergangenen Jahr auf knapp 20.000 ha und dürfte zur diesjährigen Ernte nochmals weiter gewachsen sein.
„Alter Schwabe“ ist sparsam beim Stickstoff
Dinkel stellt keine hohen Anforderungen an die Bodengüte, verträgt spätere Aussaaten und strenge Winter. Er ist daher für den Anbau in rauen Höhenlagen, beispielsweise auf der Schwäbischen Alb geradezu prädestiniert. Gegen Krankheiten ist Dinkel wenig anfällig, die Körner sind durch den festen Sitz der Spelzen gut vor Umwelteinflüssen geschützt. Im Vergleich zu Weizen reagiert Dinkel weniger stark auf Fungizidbehandlungen. In den Landessortenversuchen (LSV) in Baden-Württemberg konnten im Mittel von zwei Jahren und sechs Sorten gerade mal 4 dt/ha abgesichert werden, die noch eher dem Einsatz von Wachstumsreglern als den Fungiziden zuzuschreiben sind.
Sparsam ist der „alte Schwabe“ auch im Umgang mit Stickstoffdünger. Durch seine Genügsamkeit ist der Dinkelanbau im ökologischen Landbau eine feste Größe. Er hat ein hohes Stickstoffaneignungsvermögen und ist daher mit 100 bis 130 kg N/ha gut bedient. Vergleicht man die N-Düngung in den LSV mit Weizen, so überrascht das mit knapp 80 kg N/ha geringe Düngungsniveau gegenüber 190 kg N/ha beim Winterweizen. Somit wurden dem Dinkel nur 40 % der N-Menge des Weizens verabreicht, während im Ertrag bei der zur Zeit ertragreichsten Sorte ZOLLERNSPELZ (Bundessortenamt Ertrag Note 7) immerhin 80 % des Weizens erreicht wurden (Abb. 1). Die niedrige N-Düngung wird deshalb vorgenommen, weil in den Sortenversuchen auch ältere, langstrohige und lageranfällige Sorten wie z.B. der OBERKULMER ROTKORN geprüft werden.
An der „Dinkelreinheit“ erhitzen sich die Gemüter
Um agronomische Eigenschaften wie z.B. die Standfestigkeit und die Ertragsleistung züchterisch zu verbessern, wurden schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts Kreuzungen von Dinkel mit Weichweizen vorgenommen. Der bislang erreichte Zuchtfortschritt in der Kombination Ertrag und Standfestigkeit der in Deutschland zugelassenen Sorten ist in der Abb. 2 dargestellt.
Bei der Auswahl von Dinkel-/Weizenkreuzungen wurde sowohl in Richtung Dinkel als auch in Richtung Weizen selektiert. Alte Sorten generell als reinen Dinkel einzustufen und ertragreichere Neuzüchtungen als Weizendinkel zu bezeichnen ist schlichtweg falsch!
Die Einkreuzung von Weichweizensorten wird seitens der Verarbeiter und Verbraucher oft kritisch gesehen, da befürchtet wird, dass dinkeltypische Eigenschaften verloren gehen. Dabei kommt es aber immer darauf an, wie viel vom Weizengenom überhaupt noch im Dinkel vorhanden ist. Die Anzahl der Kreuzungspartner aus dem jeweiligen Genpool und die Art der Selektion sind dabei von ganz entscheidender Bedeutung. Wird während des Züchtungsprozesses konsequent auf Dinkelmerkmale ausgelesen, so ist der Anteil des Weizengenoms möglicherweise kaum noch messbar.
An der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie in Garching wurde das Eiweiß von Dinkelsorten auf seinen Anteil an Weichweizen-Protein hin untersucht. Erwartungsgemäß wurde die altbekannte und in Dinkelkreisen anerkannte Sorte OBERKULMER ROTKORN als typischer Dinkel eingestuft. Während bei einigen der neueren und im Anbau weit verbreiteten Sorten typische Dinkelmarker fehlen, wurde die neue Sorte ZOLLERNSPELZ hinsichtlich der Dinkelreinheit der gleichen Gruppe wie OBERKULMER ROTKORN zugeordnet. Somit können aktuelle Neuzüchtungen die gleich gute Qualität von älteren bei Verarbeitern akzeptierten Sorten aufweisen bei gleichzeitig deutlich verbesserten Anbau- und Ertragseigenschaften.
Die zweijährigen LSV-Ergebnisse aus Baden-Württemberg dokumentieren diesen Züchtungsfortschritt (Abb. 3).
Dr. Peter Römer, Martin Munz