Winterbraugerste bietet im Vergleich zu Sommerbraugerste bedeutende pflanzenbauliche Vorteile.
Nach jahrelanger intensiver Züchtungsarbeit stehen heute leistungsfähige Winterbraugerstensorten zur Verfügung, mit von Mälzern und Brauern zunehmend akzeptierten Malz- und Braueigenschaften.
20-40 % mehr Ertrag als Sommerbraugerste
Winterbraugerste bietet im Vergleich zu Sommerbraugerste bedeutende pflanzenbauliche Vorteile:
1. Bessere Ausnutzung der Winterfeuchte, Tolerierung von Frühsommertrockenheit
2. Frühere Ernte unter häufig besseren Witterungsbedingungen, damit zeitigere Rohstoffverfügbarkeit
3. Entzerrung von Ernte und Erfassung
Gleichzeitig ist ihr Anbau aber auch mit Nachteilen behaftet:
1. Auswinterungsrisiko
2. Gegenüber Winterfuttergerste geringere Erträge
3. Höheres Qualitätsrisiko, vor allem beim Rohproteingehalt
Vergleichende Landessortenversuche an fünf Standorten der Bundesländer Sachsen und Thüringen im Jahr 2007 ließen erkennen, dass trotz angepasster Stickstoffdüngung bei Winterbraugerste der Rohproteingehalt 0,3-3,2 (Mittel 1,2; s. Abb. 1) Prozentpunkte über dem der Sommerbraugerste lag. Weitere Untersuchungen bestätigen diese Ergebnisse (RATH, 2007; Bundessortenamt 2006).
In der Sortierung (Abb. 2) und beim Hektolitergewicht unterschieden sich Winter- und Sommerbraugerste kaum.
Die Ertragsdifferenz zwischen beiden Kulturen bewerten verschiedene Versuchsansteller sehr unterschiedlich: RATH kam nach langjährigen Versuchsserien (1993-2006) mit Winter- und Sommerbraugerste zu dem Ergebnis, dass Winter- gegenüber Sommerbraugerste nur geringe Ertragsvorteile besitzt. In neueren Versuchsergebnissen der Jahre 2006 und 2007 aus Bayern, Sachsen und Thüringen brachte Winterbraugerste je nach Standort zwar 4-15 % niedrigere Erträge als Winterfuttergerste, jedoch um 20-40 % mehr als Sommerbraugerste auf den gleichen Standorten (Abb. 3).
Das Risiko „Rohproteingehalt“ richtig managen
Die Überschreitung eines Rohproteingehaltes von 11,5 % ist gegenwärtig das größte Produktionsrisiko bei der Winterbraugerstenproduktion. Das gesamte Stickstoffmanagement ist diesem Ziel unterzuordnen. Geeignete Produktionsstandorte und Vorfrucht, wie auch die Optimierung der Stickstoffdüngung sind Pflicht. Hierfür gelten die gleichen Regeln wie für Sommerbraugerste:
1. Standort mittlerer Bodengüte mit einem nicht zu hohen Anteil leicht mineralisierbarer, organischer Substanz.
2. Keine Flächen mit regelmäßiger organischer Düngung; idealerweise sollte die Vorfrucht nicht mehr als 40-60 kg N/ha hinterlassen.
3. Als Vorfrucht geeignet sind: Hafer und Kartoffeln, Winter- und Sommergerste, Raps.
4. Keine Vorfrucht wie Winterweizen, Roggen und Triticale (Fremdgetreidedurchwuchs)! Der Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln zur Vorerntebehandlung bei Fremdgetreidedurchwuchs ist in Winterbraugerste nicht erlaubt.
Bei Sommer- und Winterbraugerste sollte bei der Stickstoffdüngung der Bodenstickstoffgehalt im Frühjahr (Nmin) berücksichtigt werden.
Versuche von Kratsch, G. und Meyer, L. (2001) in den Jahren 1996-1999 am Standort Bernburg zeigten, dass bei einem Nmin-Gehalt von 50-70 kg N/ha mit einer einmaligen Stickstoffgabe von 70 kg/ha und einer Fungizidbehandlung, hohe Vollkornerträge mit einem vertretbaren Rohproteingehalt zu erreichen waren (Abb. 4).
Von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft wird vorläufig für die Stickstoff-Bedarfs-Analyse ein Sollwert von 110-120 kg N/ha empfohlen, dieser liegt zwischen dem von Sommergerste (90 kg N/ha) und Winterfuttergerste (140 kg N/ha). Stickstoffdüngungen nach Schossbeginn sind tabu, da sie mit großer Wahrscheinlichkeit den hohen Rohproteingehalt im Korn erhöhen.
Aufgrund der bisher dünnen Datenlage sollten sich die Anbauer allmählich an das standortspezifische Düngungsniveau herantasten.
Bei Bodenbearbeitung, Grunddüngung, Aussaat und Pflanzenschutz gelten die gleichen Empfehlungen wie für Winterfuttergerste. Ein Fungizideinsatz zur Ertrags- und Qualitätssicherung (Vollgersteanteil) ist zu empfehlen.
2006/2007 wurden in den Bundesländern Sachsen und Thüringen erstmals spezielle Landessortenversuche zu Winterbraugerste durchgeführt. Im Mittel aller Standorte schwankten die Erträge der Sorten zwischen 95 und 103 dt/ha (mit Fungizid- und optimalem Wachstumsreglereinsatz). Eine Anbauempfehlung auf der Grundlage der erst einjährigen Prüfung kann noch nicht gegeben werden. Die Winterfestigkeit von „MALWINTA“, „Tiffany“ und „Vanessa“ ist „mittel“, „Breunskylie“ und „Wintmalt“ können hier nicht eingestuft werden. Von den geprüften Sorten besitzt „Malwinta“ eine etwas bessere Strohstabilität. Nach Einschätzungen des Bundessortenamtes liegt der Zuchtfortschritt der Sorten „MALWINTA“ und „Winmalt“ in den deutlich verbesserten Malz- und Braueigenschaften.
Potenzielle Winterbraugerste wächst schon jetzt
Landwirte mit Erfahrungen im Anbau und der Vermarktung von Sommerbraugerste sollten zukünftig einen Teil ihrer Wintergerstenfläche für den Anbau von Winterbraugerste nutzen. Da auch gegenwärtig im größeren Umfang zweizeilige Wintergerstensorten mit Braueignung wie „MALWINTA“, „Wintmalt“, „Vanessa“, „FINITA“, „Reni“, „Carrero“ im Feld stehen, braucht man dazu nicht einmal bis zur Ernte 2009 zu warten. Diese Sorten könnten bei passender Vorfrucht und einer vertraglichen Absicherung der Abnahme sowie bei entsprechender Anbautechnik schon in diesem Jahr genutzt werden. Zwar hat Winterbraugerste noch nicht ganz die Qualitätseigenschaften der Sommerbraugerste, aber es ist bewiesen, dass ein schmackhaftes Bier damit zu brauen ist. Der Winterbraugerstenpreis wird daher unter dem der Sommerbraugerste, aber deutlich über dem der Futtergerste liegen müssen.
Dr. Martin Farack