In der Hochpreisregion östliches Niedersachsen erzielten die Landwirte zur gleichen Zeit 305 €/t Aber nicht nur der Preis der Braugerste ist stabil.
Der relative Wert steigt stetig ...
Noch viel stärker als ihr absoluter Wert steigt die relative Vorzüglichkeit besonders gegenüber Mais. Anfang Oktober betrug die Relation zwischen Braugerste und Mais im bundesdeutschen Durchschnitt 1,25:1. Bis Mitte November stieg dieser Wert auf 1,4:1. Die relative Vorzüglichkeit des Braugerstenanbaus nimmt also stetig zu.
Der Grund für diese Entwicklung lässt sich recht einfach beschreiben: Mais kann man importieren und ersetzen, bei Braugerste geht das in Europa nicht. Während Futtergetreide durch Substitute wie Tapioka, Sorghum, Pellets aus der Ethanolherstellung und Ölschrote ersetzt werden können, lässt sich Qualitätsbraugerste zwar durch Rohfrüchte (z.B. Mais in Mexiko oder Reis in Asien) strecken, nicht aber ersetzen. Ohne einen Mindestanteil von 7-8 kg Malz/hl kann niemand auf der Welt Bier brauen. In Deutschland und den meisten anderen EU-Ländern wird aber nicht gestreckt, und daher benötigt man 14-16 kg Malz/hl Bier. Importieren kann man Braugerste aufgrund des begrenzten Angebotes auch nur in sehr beschränktem Rahmen. Mais dagegen gibt es in Hülle und Fülle. Beispielsweise kann GVO-freier Mais aus Brasilien und Sorghum in einer Größenordnung von 10-12 Mio. t importiert werden. Das reicht zwar nicht aus, um den Getreidemangel in Europa völlig auszugleichen, aber es reicht, um den Preis zu drücken.
... und der Preis bleibt stabil
Die Quintessenz dieser Zusammenhänge ist klar: Braugerste bleibt eine – wenigstens in preislicher Hinsicht – verlässliche Frucht, Mais hingegen ein Wackelkandidat. Hinzu kommt, dass die Mälzer hohe Einkaufspreise für Braugerste problemlos auf die Brauer und die wiederum auf den Endverbraucher umlegen können. Ganz anders ist die Lage beim Mais: Stärkefabriken mögen hohe Einkaufspreise noch auf ihre Abnehmer in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie umlegen können. Mischfutterwerke dagegen haben es derzeit schwer, hohe Maispreise an die Sauenhalter und Schweinemäster weiterzugeben.
Braugerste bleibt also eine spannende Kultur, deren Anbau sich 2008 auf jeden Fall lohnen wird. Hinzu kommt, dass der Preis für die Ernte bereits im Vorfeld vertraglich abzusichern ist. In den letzten beiden Jahren war dies ein Verlustgeschäft. Denn in der Ernte wurden stets weit höhere Preise gezahlt als in den Vorverträgen zu erzielen war. Trotzdem sollten Braugerstenerzeuger sorgfältig abwägen, ob es dieses Jahr nicht vielleicht doch die richtige Strategie ist. Denn aller Knappheit und Euphorie zum Trotz gilt immer noch das alte Händlerwort: „Hohe Preise ziehen Ware an“.
Weltweiter Bierkonsum steigt – 2 Mio. t Malz fehlen
Malz dürfte auch im kommenden Wirtschaftsjahr eine knappe Ware bleiben, selbst wenn die Braugersteflächen ausgedehnt werden sollten und es zu guten Ernten in der EU und Australien kommt. Der Rückgang des deutschen Bierkonsums ist global gesehen nämlich eher eine Ausnahme. Der Weltbierkonsum wächst dagegen mit Wachstumsraten, die in den letzten Jahren völlig unterschätzt wurden. Die Branche erwartete ein solides Wachstum von durchschnittlich 2,5 % im Jahr; tatsächlich waren es in den letzten Jahren aber 6 %. Das hat inzwischen zu einer Verknappung der Malzkapazitäten geführt. Von Überkapazitäten wie noch vor zwei Jahren ist seit einiger Zeit keine Rede mehr, denn dem weltweiten Malzbedarf von jährlich etwa 22 Mio. t stehen Malzkapazitäten für nur 20 Mio. t gegenüber. Gestopft werden die Löcher durch den Einsatz der bereits erwähnten Rohfrüchte. Vor allem in Asien und Lateinamerika werden diese Möglichkeiten sehr weit ausgeschöpft. Jedoch ist man dort in den vergangenen Jahren bereits an die Untergrenze des Malzeinsatzes (7-8 kg/hl Bier) gegangen, so dass keine weiteren Einsparungen mehr möglich sind.
Nachfrage nach Braugerste steigt weiter
Weltweit sind umfangreiche Neubauten bzw. Erweiterungen von Malzkapazitäten im Gange, die sich im Kalenderjahr 2008 auf rund 600.000 t Malz summieren dürften. Das vermindert den Rückstand etwas, reicht aber nicht aus, um den Mangel zu beseitigen. Deutschland zählt mit zwei neuen Malzfabriken (Koblenz und Hamburg) mit zusammen etwa 150.000 t Malzproduktion weiterhin zu den Investitionsstandorten der Mälzer. Daneben gibt es neue Werke in St. Petersburg, Rumänien, Ukraine, Australien und Argentinien. Auch in den kommenden Jahren werden zusätzliche Malzkapazitäten weltweit gebaut werden, so dass die Nachfrage nach Braugerste weiter rapide steigen wird. Möglicherweise wird die EU im Zuge dieser Entwicklung sogar zu einem Nettoimporteur von Braugerste. In diesem Jahr reicht die EU-Braugerstenernte zwar aus, um den Inlandsbedarf zu befriedigen (Tab. 1). Aber die Malzexporte können nicht komplett aus der inländischen Braugerstenproduktion gedeckt werden, selbst wenn man alle Winterbraugersten und Kompromissgersten mitrechnet.
Importe werden immer teurer
Die EU ist also erstmals auf Braugerstenimporte angewiesen. Die können nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge nur aus Südamerika kommen. Händler gehen davon aus, dass Argentinien und Uruguay zusammen etwa 300.000 t bis 500.000 t Braugerste in die EU liefern werden. Billig wird Braugerste durch mögliche Importe aus Südamerika aber nicht, denn die Frachtkosten sind inzwischen auf neue Rekordwert hochgeschnellt. Der Transport einer Tonne Getreide aus den südamerikanischen Häfen nach Rotterdam, Gent oder Hamburg kostet inzwischen umgerechnet 70 €! Und ein Ende der teuren Frachten ist bei den gestiegenen Mineralölpreisen und dem ungebrochenen Wirtschaftsaufschwung in China nicht absehbar.
Rosige Aussichten für Braugerste
Eine Entspannung auf dem Braugerstenmarkt ist erst mit der nächsten EU-Ernte im Juli möglich. Dies aber auch nur, wenn die Erträge endlich wieder einmal gut ausfallen. Aufgrund der starken Anbauausdehnung der Wintergetreideflächen ist es nämlich sehr unwahrscheinlich, dass die EU-Braugerstenfläche derart stark ausgeweitet werden kann, dass auch bei schwachen oder mittleren Erträgen genügend Sommerbraugerste gedroschen werden kann. Damit sind die Aussichten für die Sommerbraugerste im Jahr 2008 ausgesprochen günstig. Bei freier Flächenverfügbarkeit sollte Sommergerste daher auf geeigneten Standorten die Frühjahrskultur der Wahl sein.
Dr. Christian Bickert, stellv. Chefredaktuer der DLG-Mitteilungen