Um dem Endverbraucher eine genaue Orientierung im Dschungel der Versprechungen zu geben, gibt es in Nordamerika Verordnungen, die wissenschaftlich begründete Mindestanforderungen an diese „Health Claims“ definieren. In der EU sind entsprechende Regelungen in Vorbereitung.
Für Haferprodukte (Ganzkorn) umfasst die „Health Claim“ in den USA und Kanada folgende Details (HENDERSON, 2006):
- Mind. 4 % Beta (ß)-Glucangehalt (auf Basis der Trockensubstanz)
- Mind. 10 % verdauliche Rohfaser/Ballaststoffe (auf Basis der Trockensubstanz)
- Das Produkt sollte zudem pro Mahlzeit nicht mehr als 3 g Fett enthalten, ein Fettgehalt von 9 % im Hafer sollte nicht überschritten werden.
Neue Trends – Wiederbelebung „alter“ Lebensmittel
Schon in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde der gesundheitsfördernde Aspekt des Verzehrs von Hafer wissenschaftlich nachgewiesen. So wurde in zahlreichen klinischen Studien bewiesen, dass der Verzehr von nur 3 g verdaulicher Rohfaser pro Tag aus Hafer den Gehalt an Cholesterin und gesättigten Fettsäuren im Körper verringern und so das Risiko von Herz-/Kreislauferkrankungen reduzieren kann. Ein entsprechendes Nahrungsmittel auf Haferbasis braucht dazu einen Gehalt von etwa 0,75 g verdaulicher Rohfaser aus Hafer pro Mahlzeit, um diese Effekte bewirken zu können.
Die ständig wachsendende Weltbevölkerung ändert ihre Essgewohnheiten: In Nordamerika erlebt beispielsweise der Verzehr traditioneller, fast verdrängter Getreidemahlzeiten wie der sogenannten „Hot Cereals“ eine Renaissance. Getreide- und ballaststoffreiche Lebensmittel in sog. „Granola and Cereal Bars“ sind dort ein echter Ernährungstrend. Dieser wird vermutlich vor dem Hintergrund von Fettleibigkeit, Diabetes und anderen Zivilisationskrankheiten auf andere Nationen überspringen. Die Haferschälmühlen leiten aktuell daraus folgende Erfordernisse an Haferlebensmittel in der Zukunft ab:
- Erhöhung der Gehalte an ß-Glucan und verdaulicher Rohfaser
- Verringerung des Fettgehaltes und Erhöhung der Fettstabilität
- Weitere Forschung zu Antioxidantien und Phenolsäuren
- Entwicklung eines Prozesses, der die erwünschten Komponenten konzentriert
- Weitere Forschung zur Reduzierung unerwünschter Komponenten wie pilzlichen Metaboliten (z.B. das bekannte DON) und Bakterien, niedrigstes Niveau anstreben (Babynahrung)
Zu allen fünf Punkten wird bei der Nordsaat Saatzucht GmbH intensive Forschungsarbeit betrieben. Eine derartige Forschung beginnt immer bei der Pflanzensorte, da sie am Anfang jeder Wertschöpfungskette im Lebensmittelbereich steht.
Der ß-Glucangehalt wird schon lange züchterisch bearbeitet. In einem kürzlich beendeten BMBF2-Forschungsprojekt wurden molekulare Marker für eine sichere und effizientere Züchtung auf hohen ß-Glucangehalt entwickelt. Außerdem konnte die Sorte NELSON als hochß-glucanreiche, großkörnige Hafersorte mit einer guten Anpassungsfähigkeit an die Anbaubedingungen in Deutschland identifiziert werden (vergl. Tab. 1).
Hafersorten mit besonders niedrigen Fettgehalten wurden in Deutschland bereits zugelassen: 2000 die Sorte Kanton und 2005 die Sorte TYPHON. TYPHON verbindet zudem eine hohe Tausendkornmasse (TKM), ein sehr hohes Hektolitergewicht (HLG), gute Entspelzbarkeit und einen niedrigen Spelzengehalt (SP %) zu einer sehr guten Schälmühleneignung (vergl. Abb. 1).
Ein Verbundprojekt mit Unterstützung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe erforscht weitere funktionelle Haferinhaltsstoffe wie die antioxidativen Substanzen. Hier soll außerdem die chemische Zusammensetzung der Haferspelze züchterisch verändert werden, um deren Wertigkeit als Beiprodukt der Schälmüllerei zu erhöhen. Möglicher Abnehmer könnte dann die Zellstoff- und Papierindustrie sein.
Mykotoxine sind in allen Getreidearten ein höchst unerwünschtes Phänomen. Zwar fehlen aktuelle Belege für eine besondere Anfälligkeit von Hafer, trotzdem hat die EU für diese Getreideart im Vergleich höhere DON-Werte als zulässige Grenzwerte definiert. Gegenwärtig wird zusätzlich eine intensive Diskussion über die Einführung von Grenzwerten auch beim T2/HT2-Toxin geführt. Die Resistenzzüchtung bei Haferfusariosen wurde daher bei der Nordsaat wesentlich intensiviert und wird wissenschaftlich von der Biologischen Bundesanstalt in Braunschweig unterstützt.
Deutsche Landwirtschaft kann davon profitieren
Führende Verarbeiter von Hafer werden auf den neuen Ernährungstrend mit neuen Trend-Produkten reagieren. Dazu benötigen sie hochwertige Rohstoffe und einen zuverlässigen Warenfluss, der über Verträge abgesichert werden muss. Wenn sich auch die deutschen Landwirte – wie ihre skandinavischen Berufskollegen – auf einen Vertragsanbau einlassen, haben sie eine gute Chance, von den neuen Märkten zu profitieren. Geeignete Sorten jedenfalls, stehen schon jetzt zur Verfügung.
Das meint der Praktiker
„Mit der Sorte IVORY habe ich gute Erfahrungen gemacht: standfest, gesund und gut zu dreschen. Außerdem ist die gute Qualität – geringe Spelzengehalte und hohe Kerngewichte – wirklich überzeugend!“ Diese gute Qualität wurde auch von der Firma Kölln Flocken bestätigt." Friedrich Bennemann, Boren in Schleswig-Holstein |
Dr. Steffen Beuch