Die energetische und technologische Wertigkeit des Haferkorns wird in entscheidender Weise durch seinen Spelzengehalt geprägt. Entspelzte Haferkerne haben unter allen Getreidearten den höchsten Futterwert, während Spelzhafer in dieser Skala auf dem letzten Platz zu finden ist. Zudem ist die Spelze bei der Verarbeitung in Schälmühlen ein unerwünschtes Beiprodukt, das entsorgt werden muss. Jedes Prozent weniger Spelze macht dabei einen finanziellen Vorteil von etwa 2,50 €/t aus. Eine Lösung dieses Problems böte sich im Einsatz von Nackthafer an. Dem stehen jedoch die deutlich niedrigeren Erträge sowie das kleinere Korn und die schlechtere Sortierung durch die Vielblütigkeit der Nackthaferrispe entgegen. Außerdem ist auch Nackthafer nicht völlig frei von Spelzen.
Die Anstrengungen der Züchter sind daher auf die Verringerung des Spelzengehaltes gerichtet. Obwohl es natürliche Grenzen zu geben scheint, ist der Zuchtfortschritt offensichtlich (Tab.1). Zeichneten sich 1997 nur etwa die Hälfte aller zugelassenen Sorten durch einen unterdurchschnittlichen Spelzengehalt (APS 1-4) aus, waren es 2004 schon mehr als drei Viertel. Davon gehörten fast die Hälfte den vorteilhaften Ausprägungsstufen niedrig bis sehr niedrig (APS 2 und 3) an.
Bisher waren vor allem die Sorten JUMBO, LUTZ und Tomba (alle APS 3) für ihre ausgesprochen gute Kornqualität bekannt. Mit der Zulassung von Flämingsprofi (2001) und IVORY (2003) wurde durch das Bundessortenamt erstmalig die Note 2 im Spelzengehalt vergeben. Vor allem IVORY stellt einen bisher nicht erreichten Standard der Kornqualität dar (Abb.1). Auffällig ist das außergewöhnlich große Korn dieser Sorte, das mit Marktwareanteilen über 99% gekoppelt ist. Der Spelzengehalt ist deutlich verringert und liegt bis zu 2 % unter JUMBO sowie bis zu 1% unter Flämingsprofi. Damit handelt es sich bei IVORY (deutsch: Elfenbein) um die Hafersorte mit dem niedrigsten Spelzengehalt in der deutschen Sortenliste, hinzu kommt ein hohes Hektolitergewicht.
Da IVORY zudem in die höchste Kornertragsstufe bei Sommerhafer (APS 8) eingeordnet wurde, ist es nicht überraschend, dass sich mit dieser Hafersorte überdurchschnittlich hohe Kern- und Marktwareerträge erzielen lassen (Abb.1). Alle Merkmale der äußeren Kornqualität bei Hafer sind hoch erblich. Das bedeutet, dass im praktischen Anbau die Sorte den größten Einfluss auf die Kornqualität hat.
Intensität beeinflusst QualitätAm Standort Grünseiboldsdorf (bei Moosburg, Bayern) legten wir im Jahre 2004 einen die Anbauintensität steigernden Versuch an, der auch
Aussagen zur Kornqualität zuließ. Einbezogen wurden 8 Sorten und Stämme in dreifacher Wiederholung. Stufe 1 der Intensität beinhaltete lediglich eine ortsübliche N-Düngung. In Stufe 2 wurden zusätzlich 40 kg/ha N gegeben und eine Fungizidmaßnahme (Strobilurinpräparat) durchgeführt. In der höchsten Stufe 3 kam noch eine Wachstumsreglergabe (1 l/ha CCC) dazu. Bei einem außergewöhnlich hohen durchschnittlichen Ertragsniveau des Versuches von 94,7 dt/ha führte jede Maßnahme zu einem Ertragszuwachs. Dabei war der Anstieg von Stufe 1 zu Stufe 2 mit 7,4 % am deutlichsten, Stufe 2 zu Stufe 3 brachte noch einmal 3,2 % Mehrertrag. Bei mittlerem bis starkem Lagerdruck bestätigte sich eine Ertragszunahme durch Wachstumsreglereinsatz wie schon in früheren Versuchen (vergl. Praxisnah 1/2004).
Der Ertragszuwachs war jedoch nicht mit einer Erhöhung der äußeren Kornqualität verbunden (Abb. 2 und 3). Der Spelzengehalt stieg von Stufe 1 zu den Stufen 2 und 3 um etwa 1% an und das Hektolitergewicht verringerte sich gleichzeitig um rund 1 kg. Auch die Tausendkornmasse (nicht dargestellt) verringerte sich im Vergleich der Stufe 1 zu den Stufen 2 und 3 um etwa 1 g. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass es sich lediglich um Ergebnisse eines Jahres an einem Standort handelt. Die sortentypische Differenzierung in der Kornqualität blieb in allen Intensitätsstufen erhalten. Dies belegt noch einmal die Wichtigkeit der Sortenwahl im Hinblick auf eine Qualitätshaferproduktion. Der mögliche Einfluss von Anbaumaßnahmen auf die äußere Kornqualität sollte aber ebenfalls berücksichtigt werden.
Dr. Steffen Beuch, Nordsaat Granskevitz