Die Ansprüche der Landwirte an neue Getreidesorten sind heute größer als je zuvor. Denn neben den Preisen und Kosten sind auch hohe Erträge und lukrative Qualitäten immer weniger planbar. Extrem warme und auch kalte Winter der letzten Dekade haben ebenso wie zwei Frühjahrsdürren in Folge die Ertragsbildung erschwert, nasse Ernten die Erlöse verdorben. Dabei ist der Zuchtfortschritt bei Getreide unstrittig: Nie zuvor gab es ein so großes Angebot leistungsfähiger Sorten mit einem so breiten genetischen Hintergrund. Jetzt kommt es darauf an, diese Sortenvielfalt gezielter zu nutzen.
Was leistet eine Neuzulassung in der Praxis?
Hier setzt das Pilotprojekt SU BestSeed an. Dieses ergänzt die Sortenvergleiche in Exaktversuchen mit der Dokumentation und Auswertung praxisnaher Anbauerfahrungen. So ist das Potenzial einer Neuzulassung im Praxisanbau schneller und weitgehender auszuschöpfen. Dabei stehen vor allem Eigenschaften im Vordergrund, die in der Wertprüfung und in den LSV i.d.R. nicht untersucht werden. Besonders interessiert z.B. die sortenspezifische Reaktion auf:
- Sorten- und situationsangepasste Anbauintensitäten
- Trockenphasen im Frühjahr und Frühsommer
- Extreme Frühsaaten oder Spätsaaten
- Unterschiedliche Fruchtfolgekonstellationen
- Extensivere, nicht wendende Bodenbearbeitung
- Stress durch Herbizide und Wachstumsregulatoren
sowie die
- Eignung für extreme Standorte
- Standfestigkeit im Großflächenanbau
- Druscheigenschaften
Mehr Interesse und Akzeptanz für Z-Saatgut
Zweites Ziel von SU BestSeed ist es, mehr Interesse und Akzeptanz für Z-Saatgut zu wecken. Nicht ohne Grund lässt nach der Saatgutverordnung der Vermehrungsschlag eine „ordnungsgemäße Bearbeitung und Behandlung erkennen“, zudem ist er „durch Schilder zu kennzeichnen“. Offenheit und Transparenz, von je her selbstverständlich bei der Saatgutproduktion, wird bei SU BestSeed zeitgemäß kommuniziert: Nicht allein Feldnachbarn, alle interessierten Landwirte dürfen wissen, wo die Vermehrungen neuer Sorten stehen. Diese Authentizität – die Möglichkeit, sich dort selbst ein Bild machen zu können – stärkt das Vertrauen in die neue Genetik und in die Qualität des Z-Saatguts. Denn Saatgutqualität beginnt auf dem Feld, der Vermehrungsbetrieb steht hierfür gerade!
Auch die VO-Firmen als Bindeglied des Vermehrers zum Züchter und zu den Saatgutverbrauchern sind in das Projekt eingebunden. Mit ihrem Einverständnis geht die Einladung zur Teilnahme an dem Netzwerk an die Vermehrer. Nach der Ernte erhalten sie Informationen über die Ergebnisse des Praxistests und können diese bei ihrer Sortenstrategie und Beratung nutzen. Gegenwärtig ist der Name der VO-Firma als Bezugsquelle des Saatguts beim Anklicken der Schläge genannt, zukünftig werden auch Links zu weitergehenden Dienstleistungen möglich sein.
Das Prinzip: keine Details, keine Texteingaben, wenig Mühe
So funktioniert SU BestSeed: Die Teilnehmer dokumentieren in drei Eingabemasken ihre Anbauvoraussetzungen, Besonderheiten der Pflanzenentwicklung und ihr Ernteergebnis. Dabei geht es nicht um detaillierte Angaben etwa zur Produktionstechnik1) oder zum Ernteergebnis. Entscheidend ist vielmehr die Beurteilung der Sorte unter Berücksichtigung des Standorts, des Jahres und der Produktionstechnik. Texteingaben sind nicht notwendig, die Angaben erfolgen in Minutenschnelle mittels Auswahlmenüs.
Aktive Teilnehmer bei SU BestSeed können
- exklusive Hintergrundinformationen zu neuen Sorten nutzen.
- sich im Forum über ihre Anbauerfahrungen austauschen.
- mit dem Auswertungsprogramm SU Explore die Ergebnisse zu allen beteiligten Sorten komfortabel selbst analysieren.
- Einblick in die Einzelbewertungen anderer Teilnehmer mit der gleichen Sorte nehmen und so von deren Erfahrungen profitieren.
Bei Vermehrern und VO-Firmen kommt noch hinzu, dass sie Interesse auf ihre Saatgutproduktion lenken und das Vertrauen in die Qualität ihres Saatguts stärken.
Wer ist als aktiver Teilnehmer eingeladen?
Entsprechend des unterschiedlichen genetischen Sortenaufbaus bei Linien- und Hybridsorten geht es bei den beteiligten Landwirten um zwei Gruppen:
Bei Selbstbefruchtergetreide sind es die Saatgutvermehrer, die neue Sorten als Erste im großflächigen Praxisanbau kennenlernen. Für die Pilotphase 2012 wurden zunächst ausschließlich Vermehrungsbetriebe der VO-Firma AGRAVIS sowie züchtereigene Vermehrer angesprochen, daraus resultiert die höhere Teilnehmerdichte in Niedersachsen.
Beteiligt sind zur Ernte 2012 dreizehn Sorten, davon acht Neuzulassungen mit gegenwärtig 110 Vermehrungsschlägen:
Wintergerste mz: ANTONELLA, OTTO, TITUS Wintergerste zz: CHALUP, SU VIRENI
Winterweizen: ELIXER, FLORIAN, FORUM, GENIUS, GLAUCUS, TOBAK
Winterdurum: WINTERGOLD
Hybridroggen: SU MEPHISTO
Bei Hybridsorten entspricht der Aufwuchs des Vermehrungsschlages nicht dem Z-Saatgut. Deshalb sind es hier nicht die Saatgutproduzenten, sondern die ersten Konsumanbauer, die neue Sorten als Erste im Praxisanbau erleben. Die Testanbauer für die Hybride SU Mephisto wurden bundesweit eingeladen, deshalb sind hier bereits zur Ernte 2012 etwa 115 Schläge registriert.
Für die Zukunft ist geplant, neue Selbstbefruchtersorten drei Jahre lang über SU BestSeed zu prüfen, Hybridsorten zwei Jahre.
Welche Ergebnisse liefern die Bewertungen?
Alle Eintragungen der Teilnehmer können zukünftig von diesen aus einer Datenbank heraus mit dem integrierten Auswertungsprogramm SU Explore genutzt werden. Dieses liefert zum einen zusammenfassende Auswertungen zu den beteiligten Sorten. Zum andern können bei ausreichend Daten mittels Filtern auch Wechselwirkungen untersucht werden.
Beispiele:
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Druschfähigkeit und der Fungizidintensität?
- Wie wirken sich unterschiedliche Wachstumsregleranwendungen auf Trockenstandorten auf die Strohstabilität und den Kornertrag aus?
- Wie viel drischt Roggen auf Standorten mit AZ <30 bei nichtwendender im Vergleich zu wendender Bodenbearbeitung?
- Wie korrespondiert das Auftreten von Stresssymptomen mit dem Ertragsniveau und der Ertragsbewertung?
Voraussetzung für belastbare Ergebnisse sind ausreichend viele Bewertungen, statistisch gesehen handelt sich ja um eine Erhebung. Deshalb wurde mit der Roggenhybride SU Mephisto eine Sorte überregional in das Pilotprojekt einbezogen. Bei dieser Sorte sind bereits ausreichend Datensätze für etwas komplexere Auswertungen zu erwarten.
Wie geht es weiter mit SU BestSeed?
„Zuchtfortschritt von Anfang an“ – entsprechend diesem Grundanliegen von SU BestSeed werden die Anbauer neuer Sorten von den Ergebnissen der Praxistests profitieren. Zunächst durch beispielhafte Auswertungen zu ausgewählten Fragen ab Herbst unter www.bestseed.de. Wie detailliert und in welcher Form die Daten später direkt nutzbar sind, wird nach Abschluss der Pilotphase mit den Beteiligten des Pilotprojektes abgestimmt.
Zunächst geht es darum, den Nutzen für die Partner des Netzwerks sicherzustellen – Vermehrer und Testanbauer, VO-Firmen und Züchter. Wenn dieser sich bestätigt, wird SU BestSeed ab der Herbstaussaat bundesweit sowie versuchsweise auch in einzelnen Ländern Nord- und Osteuropas angeboten werden.
Denn Sorten machen nicht vor Grenzen halt und Anbauerfahrungen aus Nachbarländern geben wertvolle Hinweise etwa auf das klimatische Anpassungsvermögen.
Sven Böse
Herzlichen Dank! Für das Netzwerk SU BestSeed gibt es kein Vorbild! Das Projekt ist noch in der Entwicklung, die Offenheit und Authentizität innerhalb des Portals für viele ungewohnt. Umso mehr Dank gebührt den teilnehmenden Ver-mehrern und Testanbauern: für ihre Aufgeschlossenheit, ihre Beobachtungen und Bewertungen und – vor allem – für ihr Vertrauen! |