Man fand in Kleptow in der Uckermark einen guten Selektionsstandort, der dem Roggen durch die trockenen Bedingungen im Frühjahr genügend Stress bietet, dank mittlerer Bodengüte gleichzeitig jedoch sehr aussagefähige Ergebnisse zulässt. Zudem sind kontinentalere Gebiete durch eine kurzes Frühjahr geprägt. Unter diesen Bedingungen können Roggentypen selektiert werden, die sich im Frühjahr sehr rasch entwickeln, gut bestocken und den Boden gut durchwurzeln.
Mehrjährige Sortenprüfungen im In- und Ausland
Für eine erfolgreiche Züchtungsarbeit ist unter anderem die genetische Variabilität des Zuchtmaterials sehr wichtig. Für die Selektion wurde das Prüfsystem im In- und Ausland ausgebaut. So können durch die Wahl sehr unterschiedlicher Standorte mit leichten und besseren Böden sowohl das junge Zuchtmaterial als auch die Hybriden schon früh und intensiv unter unterschiedlichsten Umweltbedingungen getestet werden.
Gerade die klimatischen Schwankungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass nicht nur die Anzahl der Prüfumwelten in einem Jahr, sondern erst mehrjährige Ergebnisse eine sichere Selektion ermöglichen. Um den zügigen Zuchterfolg nicht zu gefährden, wird dabei darauf geachtet, dass diese intensivere Prüfung nicht zu einer Verlängerung des gesamten Zuchtprogrammes führt.
Offenblütigkeit für mehr Kornansatz
Da Pollen und Mutterkornsporen bei der Befruchtung quasi Konkurrenten sind, ist es für die Pflanze vorteilhaft, wenn die Befruchtung schnell verläuft und es zudem eine hohe Akzeptanz für den Pollen gibt. Denn je schneller die Befruchtung und desto besser der Kornansatz verläuft, umso geringer ist die Zeitspanne für eine Mutterkorninfektion. Daher selektieren wir schon sehr früh während der Linienentwicklung auf eine sehr hohe Einkörnung. Mit dieser Selektion auf Kornansatz änderte sich auch die Morphologie der Ähre: Der Querschnitt wurde etwas quadratischer. Bei diesen Ähren wird die Narbe also etwas weniger stark von der Deckspelze verdeckt und liegt so während der Blüte offener. Damit wird eine Befruchtung erleichtert und somit die Gefahr von schlechtem Kornansatz (Schartigkeit) bei schlechten Blühbedingungen verringert. Da nach einer erfolgreichen Befruchtung die Blüte nicht mehr von Mutterkorn infiziert wird, kann so der Mutterkornbefall wirkungsvoll reduziert werden.
Die HYBRO setzt zur Steigerung der Pollenschüttung zzt. in ihrer Sortenentwicklung keine exotischen Restorergene, wie z. B. das viel diskutierte IranIX-Gen, in den aktuellen Hybridsorten ein: Die damit verbundenen negativen Effekte wie kleineres TKM, höhere Lageranfälligkeit, weniger Ertragsstabilität und 5–8 % weniger Ertrag sind noch zu hoch. Um die Pollenschüttung aber trotzdem auf hohem Niveau zu sichern, werden 10 % Populationsroggen beigemischt. Wir denken, dass Roggen als Fremdbefruchter sehr positiv auf den fremden Pollen der beigemischten Population reagiert. Zudem führt dieser Pollen zu einem höheren Heterozygotie-grad im Korn, wodurch zusätzliche Heterosis generiert werden kann. Beim Mais sind derartige Effekte, die sich positiv auf das TKM auswirken, bereits wissenschaftlich nachgewiesen worden. Bei Roggen steht ein solcher Nachweis gegenwärtig noch aus.
Die züchterische Arbeit der vergangenen Jahre wurde 2011 und 2012 durch die Zulassung neuer Sorten belohnt. 2011 kamen SU Mephisto und SU Allawi in Deutschland zur Zulassung (s. Abb. 1), in diesem Jahr gleich fünf weitere Sorten: SU Drive, SU Phönix, SU Santini, SU Satellit und SU Stakkato. Mehr zu den Eigenschaften der neuen Hybriden findet sich in Tabelle 1.
Populationsroggen gesünder als Hybriden? Das war einmal!
Das Faszinierende an dieser neuen Sortengeneration ist, dass zum ersten Mal höchster Ertrag mit einem nie dagewesenen Resistenzniveau gegen Blattkrankheiten kombiniert wird. Dieses Gesundheitsniveau konnte früher nur bei den Populationssorten erreicht werden. Die Aussage, die Populationssorten seien gesünder als Hybriden, kann generell also nicht mehr aufrechterhalten werden.
In punkto Qualität besitzen diese Roggenhybriden stabil hohe Fallzahlwerte, weshalb sie sich alle drei sehr gut zur Verwendung als Brotgetreide eignen.
Neu auch: Die Wertprüfung auf GPS-Eignung. Erstmalig durchliefen fünf Roggensorten – vier Hybrid- und ein Populationsroggen – eine spezielle Prüfung zur Eignung als Ganzpflanzensilage (GPS).
Neue Roggenhybride für „Populationsstandorte“
Bisher standen auf den sehr leichten Böden in der norddeutschen Tiefebene und Brandenburg häufig noch Populationsroggen, da die im Saatgut teureren Hybridroggen dort nicht immer wirtschaftlicher schienen. Auch in diesem Punkt ist die Züchtung jetzt einen großen Schritt weitergekommen.
Wie die Abb. 1 und 2 belegen, erzielen die neuen Hybriden besonders auf den ertragsschwächsten Standorten im Vergleich zu bisherigen Sorten deutlich höhere Erträge. Bei SU Santini ist diese Ertragsleistung mit dem höchsten Resistenzniveau aller zugelassenen Hybridsorten kombiniert, womit sich diese Sorte auch für den Anbau in den typischen Roggenanbaugebieten mit geringem Input qualifiziert.
Dr. Franz Joachim Fromme