Das in Europa und in Deutschland dominierende Virus ist das Barley yellow dwarf virus-PAV (BYDV-PAV), das durch die Haferblattlaus und die Große Getreideblattlaus (Rhopalosiphum padi und Sitobion avenae, Bild 1 und 2) übertragen wird. Bisher in Deutschland nur selten gefunden wurden das BYDV-MAV und das Cereal yellow dwarf virus-RPV (CYDV-RPV), deren Infektion spezifisch durch die Große Getreidelaus bzw. die Haferblattlaus erfolgt.
Komplexes Krankheitsbild, oft großer Schaden
Die Symptomausprägung ist abhängig von der Wirtspflanze und von der Sorte, vom Alter und dem physiologischen Zustand der Pflanze zum Infektionszeitpunkt sowie den herrschenden Umweltbedingungen. So haben längere Perioden mit höheren Temperaturen (> 10 °C) im Herbst entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung und Aktivität der Blattlauspopulationen und damit auf die mögliche Infektionsdauer. Milde Winter ermöglichen das Überleben der Blattläuse in den Getreidebeständen (Anholozyklus von R. padi), die das Virus verbreiten. Beim Wintergetreide sind bereits im Herbst an den Jungpflanzen deutliche Vergilbungen (Gerste) bzw. Blattrötungen (Weizen, Roggen) und Verzwergungen zu erkennen. Im darauffolgenden Frühjahr treten im Feld infolge von Auswinterungsschäden infizierter Pflanzen Fehlstellen auf (Bild 3). Der Virusbefall zeigt sich in gelben Nestern (Bild 4), die bei sehr starkem Befall großflächig zusammenwachsen. Die BYDV-infizierten Pflanzen besitzen weiterhin ein kleineres Wurzelsystem, so dass aufgrund des ungleichmäßigen Pflanzenwachstums der Bestand einen ‚unruhigen‘ Eindruck macht.
Bei virusinfizierten Pflanzen ist das Ährenschieben verzögert. Die Anzahl ausgebildeter Ähren, das Korngewicht und folglich der Ertrag sind mehr oder weniger stark reduziert. Durch die verhältnismäßig schlecht ausgebildeten Wurzeln sind infizierte Pflanzen auch bei Trockenheit schneller gestresst als nicht infizierte. Ein epidemisches Auftreten, verursacht durch massive Infektionen im Herbst, kann zu Umbruchentscheidungen ganzer Getreidefelder führen. Zeitige Infektionen im Frühjahr in der Schossphase verursachen bis zu 25 % Ertragsausfall.
Sommergetreide ist in der Regel geringer gefährdet, da die Pflanzen beim einsetzenden Frühjahrsflug der Blattläuse bereits ein weniger empfindliches Entwicklungsstadium erreicht haben als das Wintergetreide im Herbst. Bedeutsam für die Epidemiologie ist weiterhin eine geschlossene Infektionskette. Insbesondere dienen der Mais (Rotfärbung der Blätter) aber auch Gräser, die meistens entweder keine Symptome (latente Infektion) oder Blattrötungen (z.B. Hirse) zeigen, sowie das Ausfallgetreide als Viruswirte, die eine Übertragung der Viren vom abreifenden Getreide im Sommer auf das Wintergetreide ermöglichen.
Bekämpfung mit Insektiziden, ackerbaulichen Maßnahmen und virustoleranten/resistenten Sorten
Die zurzeit effektivste Methode zur Bekämpfung des BYDV ist die Blattlausbekämpfung mit Insektiziden nach Empfehlungen des Pflanzenschutzdienstes. Maßnahmen, wie die zügige Beseitigung von Ausfallgetreide und eine nicht zu frühe Aussaat, können den Befallsdruck auf die Neuansaaten im Herbst ebenfalls reduzieren.
Der Anbau virustoleranter/resistenter Sorten ist eine umweltschonende Bekämpfungsalternative zum chemischen Pflanzenschutz. Es sind mehrere Resistenzgene gefunden worden, von denen insbesondere das Gen Ryd2 in Sorten aus England, Frankreich und der Tschechischen Republik und seit 2012 in Deutschland auch in der Sorte Paroli verfügbar ist. Die Wirksamkeit dieses Gens ist jedoch abhängig vom genetischen Hintergrund, dem vorhandenen Virus und den Umweltverhältnissen. So ist das Gen in spätreifenden Gersten nicht effektiv, und eine Reduktion im Virusgehalt wird nach Infektion mit BYDV-PAV oder BYDV-MAV, aber nicht bei der Infektion mit dem sehr seltenen CYDV-RPV nachgewiesen. Ein weiteres Gen, Ryd3, ist hinsichtlich seiner Wirksamkeit mit Ryd2 vergleichbar. Das Gen Ryd4Hb stammt aus der Wildgerste Hordeum bulbosum. Dieses bedingt vollständige Resistenz gegenüber BYDV-PAV, bringt aber noch viele negative Eigenschaften aus der Wildgerste mit. An der Überwindung dieser negativen Effekte wird gegenwärtig in einem Forschungsprojekt in Zusammenarbeit von mehreren Pflanzenzüchtern und dem JKI gearbeitet.