Wie hoch ist der Heterosiseffekt bei Selbstbestäubern wie Weizen?
Bei Selbstbestäubern wie Weizen ist der Nachkomme den Eltern sehr ähnlich. Konventionelle Weizensorten sind Weizenlinien, die meist durch eine Kreuzung und mehrere Zyklen von Selbstbestäubung entstehen. Diese Inzuchtlinien sind hinsichtlich aller genetischen Informationen reinerbig (homozygot).
Weizenhybriden entstehen durch die Kreuzung zweier Weizenlinien. Die erste Nachkommengeneration (F1) dieser Kreuzung ist mischerbig (heterozygot) und homogen. Durch die Kombination der Eigenschaften beider Elternlinien weist die Nachkommengeneration eine höhere Leistung auf als deren Elternlinien. Dieser Leistungszugewinn – der Heterosiseffekt – macht sich v.a. beim Ertragspotenzial und der Ertragsstabilität bemerkbar.
Hybridweizen ist also in aller Regel ertragsfähiger als herkömmliche Weizensorten. In einer Studie in den USA hat Hybridweizen einen Ertrag erzielt, der durchschnittlich 10 % höher war als der mittlere Ertrag ihrer Elternsorten bzw. konventioneller Liniensorten. In einem 2011 und 2012 an drei Orten in Deutschland und zwei Orten in Frankreich durchgeführten Versuch hatten 15 aktuelle Hybridsorten im Durchschnitt 7,71 dt/ha (+ 9,1 %) mehr Kornertrag als deren Elternlinien (Abb. 1).
Sind Hybridweizen trockentoleranter als Liniensorten?
Gegenüber schwierigen klimatischen Bedingungen, insbesondere Trockenstress, zeigen Weizenhybriden eine bessere Toleranz als konventionelle Weizenlinien. Diese Tendenz wurde in 5-jährigen mehrortigen Versuchen in Deutschland bestätigt (Abb. 2). Hier wurden Hybrid- und Liniensorten unter drei Anbauvarianten getestet. Die ertragliche Überlegenheit der Hybriden gegenüber Liniensorten lag zwischen 3 und 5 %. Der Relativertrag der Liniensorten war der Stressvariante gegenüber am geringsten. Im Gegensatz dazu erhöht sich die relative Vorzüglichkeit von Hybridweizen in der Stressvariante um etwa + 5 %. Damit sind Hybridweizensorten sehr interessant für Regionen, in denen häufig Trockenstress auftritt. Zur Stabilität in Trockenstressumwelten trägt vor allem das kräftigere Wurzelsystem der Hybridweizensorten bei. Außerdem verbessert dieses die Nutzung der Bodennährstoffe.
Welche Methoden gibt es zur Erzeugung von Hybridweizen?
Maximale Heterosis und Hybridleistung beruhen auf einer 100 % Bestäubungslenkung der beiden elterlichen Komponenten. Bei Weizen kann man zzt. entweder mit Hilfe von genetischen Sterilisationsmechanismen oder mit chemischen Hybridisierungsmitteln die Selbstbestäubung der Mutterlinie auszuschließen und eine vollständige Kreuzbefruchtung zwischen den beiden Elternlinien gewährleisten.
Genetische Sterilisationsmechanismen
Jeder Organismus ist aus einer Vielzahl von Zellen zusammengesetzt. Jede Zelle setzt sich u.a. zusammen aus einem Zellkern und aus Mitochondrien. Sowohl der Zellkern als auch die Mitochondrien enthalten ein Genom, in dem die genetische Information der Weizenlinie abgespeichert ist. An die Folgegeneration wird das Kerngenom teils von der Mutterlinie und teils von der Vaterlinie vererbt, das Genom der Mitochondrien jedoch allein von der Mutterlinie.
„Cytoplasmatisch-kerngenetisch bedingte Pollensterilität“ (CMS), beruht auf dem Zusammenwirken von Kerngenen und mitochondrialen Genen (Abb. 3). Die sterile Mutterlinie besitzt dabei ein steriles Plasma sowie ein unterdrücktes (rezessives) Kerngen für männliche Sterilität in reinerbigem (homozygotem) Zustand. Da die Mutterlinie durch Selbstung nicht erhalten werden kann, ist ein sogenannter ‚Maintainer’ erforderlich, dessen Kerngenom genetisch identisch zur Mutterlinie ist, dessen Plasma jedoch fertil ist. Da zur Erzeugung von Hybridsaatgut die männliche Sterilität der Mutterlinie wieder aufgehoben werden muss, ist es notwendig, dass die Vaterlinie die Fähigkeit der Restoration besitzt. Dieser „Restorer“ ist im Gegensatz zur Mutter fertil also fruchtbar (in der Abbildung dargestellt durch die Allele MsMs). Aus der Kreuzung zwischen der sterilen Mutterlinie und dem Restorer entsteht das Hybridsaatgut.
Zwar kommt das CMS-System ohne den Einsatz von chemischen Hybridisierungsmitteln aus, jedoch ist das System sehr zeitaufwendig. Denn im Verlauf der Entwicklung und Testung einer Hybridweizensorte müssen eine sterile Mutterlinie, ein Maintainer und ein Restorer entwickelt und erhalten werden.
Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass das sterile Plasma aus Artverwandten von Weizen, z.B. aus Triticum timophevii oder Hordeum chilense, in aktuelle Weizenlinien überführt wird. Es werden aber oft auch unbeabsichtigt andere, unerwünschte Eigenschaften wie zum Beispiel Kältesensitivität transferiert. Dies kann zu Problemen bei der Hybridproduktion führen. An der Verbesserung der Effizienz dieses Systems arbeiten wir zzt. in verschiedenen europäischen Projekten.
Chemische Hybridisierungsmittel
Chemische Hybridisierungsmittel sind Substanzen, die die Ausbildung funktionsfähiger Pollen verhindern und somit zu einer chemischen Kastration führen. Alle Weizenhybridsorten, die momentan in Europa vermarktet werden, werden unter Einsatz von chemischen Hybridisationsmitteln erstellt (z.B. CROISOR® 100). Hierzu werden die Vater- und Mutterlinie abwechselnd in Streifen angebaut (s. Bild). Die Mutterlinie wird mit dem chemischen Hybridisationsmittel sterilisiert und kann deshalb nur durch den Pollen der Vaterlinie befruchtet werden. Das dabei auf der Mutterlinie entstehende Kreuzungssaatgut gelangt als Hybridweizen in den Handel.
Der Vorteil chemischer Hybridisierungsmittel ist, dass im Vergleich zum CMS-System nur eine Mutter- und eine Vaterlinie selektiert und gekreuzt werden müssen.
Wie sind die Entwicklungsperspektiven von Hybridweizen?
2011 wurde Sontofen, der Wirkstoff von CROISOR® 100, auf europäischer Ebene zugelassen. Dies garantiert die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten für diese Lösung zur Erzeugung von Hybridweizen-Saatgut. Bisher ist das Hauptanbaugebiet von Hybridweizen Frankreich, wo im Jahr 2012 auf 200.000 ha Hybridweizen angebaut wurde. Dank höherer Investitionen in die deutschen und französischen Zuchtprogramme ist zu erwarten, dass zukünftig mehr Hybridweizensorten mit hohem Ertrag, hoher Ertragsstabilität und Qualität auf dem deutschen und französischen Markt verfügbar sein werden.