Zuckerrüben haben eine hervorragende Vorfruchtwirkung, weshalb ihnen in der Fruchtfolge wenn irgend möglich Winterweizen folgt. Jedoch räumen die Rüben spät das Feld, entsprechend spät kann erst die Aussaat des Weizens erfolgen. Und das geschieht dann auch zum Ende des Herbstes noch unter witterungsbedingt meist erschwerten Aussaatbedingungen. Aber je später die Saat und je schwieriger die Aussaatbedingungen desto geringer das Ertragspotenzial des Winterweizens: Ihm fehlt es dann an Vegetationszeit im Vergleich zu üblichen Aussaatzeitpunkten im September oder Oktober. Außerdem ist Winterweizen im vegetativen Wachstum zu träge, weil er langsamer auf Wetterumschwünge reagiert. Fast alle Winterweizensorten haben dann nicht das Potenzial, die verlorenen Vegetationstage wieder aufzuholen. Hinzu kommt, dass in wirklich ungünstigen Jahren die Aussaat des „Rübenweizens“ oder Weizens nach Mais im Herbst gar nicht mehr möglich ist.
Sommerweizen reagiert da ganz anders: Sommerweizen hat schon in der Frühjahrsaussaat ohnehin eine kürzere Vegetationszeit zur Verfügung und durchläuft seine Entwicklungsstadien im Frühjahr deutlich später als Winterweizen. Damit bleibt ihm weniger Zeit sein Ertragspotenzial auszuschöpfen – zumal auch die Temperaturen im Frühjahr schneller steigen.
Diese Umstände haben das Saatzuchtunternehmen Strube schon in den 90er Jahren veranlasst, Winter- und Sommerweizensorten zu kombinieren, um die jeweils günstigen Eigenschaften in den Wechselweizensorten zu verbinden.
Das muss Wechselweizen können
Wechselweizen ist eine gezielte Kombination von Winter- und Sommerweizensorten, mit dem Ziel, Sorten zu selektieren, die:
- winterhart sind und somit auch im späten Herbstanbau gut durch den Winter kommen.
- vernalisationsfrei sind: D.h., sie benötigen keinen Kältereiz (wie Sommerweizen), um in die generative Phase zu kommen. Somit ist auch eine Aussaat im Frühjahr möglich.
- ein möglichst großes Aussaatfenster vom Herbst- bis zum späten Frühjahrsanbau haben.
- frohwüchsig und vital sind: So werden auch im späten Herbstanbau bei sehr spätem Aufgang ein schneller Bestandesschluss und eine rechtzeitige Ernte und ausreichend hohe Erträge sichergestellt.
- qualitativ sehr hochwertig sind (ausschließlich gehobener A- und E-Qualitätsbereich).
- robust genug sind, um mit wenig Input an Pflanzenschutzmitteln (Wachstumsregler, Fungizide etc.) auszukommen.
- ein ausreichend hohes Ertragspotenzial besitzen und – bedingt durch die längere Vegetationszeit – deutlich höhere Erträge als Sommerweizen im Frühjahrsanbau realisieren.
Um dieses Anforderungsprofil zu erreichen, werden ganz gezielt die Vorteile von Winter- und Sommerweizensorten miteinander kombiniert. Abb. 1 zeigt auf, welche Merkmale jeweils aus Winter- oder Sommerweizen stammen. Oftmals wird in der Praxis der Begriff „Alternativweizen“ auch bei Wechselweizen verwendet. Wechselweizen ist aber als eigenständiges Segment zu betrachten: Während Alternativweizen im Vernalisationsbedarf zwischen Winter- und Sommerweizen anzusiedeln ist, wird beim Wechselweizen auf vollkommene Vernalisationsfreiheit selektiert. So steht dem Landwirt ein Aussaatfenster von Mitte Oktober bis Anfang April zur Verfügung.
Der aktuelle Stand der Züchtung
Die Züchtung von Wechselweizen ist extrem aufwändig, weil ein paralleler Anbau desselben Materials im Herbst und Frühjahr stattfinden muss. Im Hause Strube werden die Wechselweizensorten unter schwierigen aber realistischen Bedingungen selektiert: Für alle Generationen wird ein weiterer später Termin in der Herbstaussaat ausgewählt, um möglichst nahe an der Praxis zu sein. Dass sich dieser Aufwand gelohnt hat, zeigen die jüngsten Sortenzulassungen. Die offiziellen Wertprüfungen des Bundessortenamtes belegten die Ertragsvorteile der neuen Wechselweizensorten gegenüber Sommerweizen und Winterweizen im späten Herbstanbau.
Das Bundessortenamt hat außerdem zugesichert, zukünftig auch die Ertragsleistung im späten Herbstanbau in die Sortenbeschreibung aufzunehmen. Damit wird die Sonderstellung des Wechselweizens auch in offiziellen Prüfungen berücksichtigt.
Welche neuen Sorten stehen zur Verfügung? Die aktuellen Sorten mit dem geschützten Warenzeichen WeW® sind zzt. Granus (Eliteweizen E8, Zulassung 2011), Matthus (Qualitätsweizen A8, Zulassung Dezember 2012) und Lennox (Eliteweizen E9, EU-Zulassung 2012).
Beispiele für die Leistungsfähigkeit der neuen WeW®-Wechselweizen zeigen die Wertprüfungen (s. Tab. 1 und 2).
Der Eliteweizen Granus brachte in den offiziellen Prüfungen sowohl im Frühjahrs- als auch im späten Herbstanbau deutliche Mehrerträge (s. Tab. 1) und ist damit ein Kombinationstyp für beide Anbausituationen. Matthus ist besonders bei der späten Herbstaussaat enorm ertragreich und bringt in der Frühjahrsaussaat noch konstant überdurchschnittliche Ertragsleistungen (Tab. 2). Dieser Wechselweizen ist sehr fallzahlstabil, hat eine gute Blattgesundheit und lässt sich problemlos führen.
Die Sortenzulassung von Lennox, einem Wechselweizen mit stabiler E(9)-Qualität und sehr hohem Ertragspotenzial, wird in Deutschland im Sommer 2013 erwartet. Zurzeit ist die Sorte in Frankreich (Frühjahrsanbau) und England (Herbstanbau) zugelassen und steht außer in Deutschland aufgrund seiner breiten Adaptionsfähigkeit auch in weiteren europäischen Ländern in den offiziellen Prüfungen.
Wechselweizen sind für Fruchtfolgen mit spät räumenden Früchten wie Zuckerrüben oder Mais äußerst interessant und ermöglichen auch bei widrigen Spätsaatbedingungen einen wirtschaftlichen Qualitätsweizenanbau. Dabei sollte man jedoch zwischen Sorten mit vollständiger Vernalisationsfreiheit (WeW®) und „Alternativweizen“ mit nur schwachem Vernalisationsbedarf unterscheiden.
Andreas Jacobi
Auf vollkommene Vernalisationsfreihheit gezüchtete Wechselweizen des Zuchtunternehmens Strube tragen bereits seit den 90er Jahren das geschützte Markenzeichen WeW®. |