Der Ackerbau hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt: Top-Betriebe haben ihre Produktionstechnik im Griff, Maßnahmen zur Kostensenkung wurden ergriffen, Abläufe vereinfacht, Spezialisierung und betriebliches Wachstum vorangetrieben. Der Strukturwandel wird entscheidend vom technischen Fortschritt und den damit einhergehenden Produktivitätsverbesserungen getrieben.
Neu sind in der Landwirtschaft die volatilen Märkte: Ackerbauern müssen auch deshalb immer produktiver werden, damit sie die zunehmenden Erlös und Kostenschwankungen abpuffern können. Höchste Naturalerträge bleiben auf einem Gunststandort wie Deutschland das Ziel. Knappster Faktor ist der Boden, der bei weiter steigenden Pachtzinsen optimal genutzt werden muss. Wer im Strukturwandel bestehen will, sollte nur ein Ziel haben: Möglichst jedes Jahr zum besten Viertel der Betriebe beim Unternehmergewinn je Hektar zu gehören! Nur dann kann kontinuierlich in betriebliches Wachstum investiert werden. Wir gehen davon aus, dass es in 20 Jahren nur noch rund 50.000 Profi-Landwirte in Deutschland geben wird. Im reinen Ackerbau wird jeder dieser Mittelständler 500 ha und mehr unter dem Pflug haben, nur mit Tierhaltung oder Erneuerbaren Energien als zusätzlichem Standbein kann es weniger Fläche sein.
Risiken abwägen bei der Sortenwahl
Wer als Unternehmer im Strukturwandel bestehen will, muss die individuell richtige Balance zwischen Risiko und Chancen finden. Dazu gehört, auf dem Acker möglichst hohe Erträge zu erzielen, gleichzeitig aber die von Krankheiten und Witterungseinflüssen ausgehenden Risiken beherrschbar zu halten. In Punkto Sortenwahl muss ein gesundes Mittelmaß gefunden werden zwischen ertragreichen, aber anfälligeren Sorten und stabilen Sorten mit mittleren Erträgen, die dafür gute Druscheigenschaften aufweisen und wenig krankheitsanfällig sind. Wer unsicher ist, welche Sorte die richtige ist, kann sich beraten lassen. Im ganzen Bundesgebiet gibt es Unternehmensberatungen, die pflanzenbauliches und betriebswirtschaftliches Know-how bündeln. Ein Berater sorgt dafür, dass neue Sorten ihr genetisches
Potenzial durch eine optimierte Bestandesführung voll ausschöpfen können. Gute Beratung kostet, rentiert sich aber fast immer. Im Vorteil sind hier Großbetriebe, die die Beraterstunde auf viele Hektar verteilen können. Eine andere Möglichkeit sind Arbeitskreise mit gleichgesinnten Kollegen einer Region, um die Beratungskosten für den Einzelbetrieb im Rahmen zu halten.
Die Alternative: Sie nehmen die Zügel selbst in die Hand, man spricht dann von On-Farm-Research. So wie Sie vor dem Kauf einen neuen Traktor im Feldeinsatz testen, können Sie verschiedene Sorten erst einmal im kleinen Maßstab ausprobieren, z.B. indem Sie ein paar Hektar einer vielversprechenden Weizensorte auf einem Schlag neben der bisherigen „Standardsorte” drillen. So bekommen Sie ein Gefühl dafür, wie die neue Sorte auf Ihre Standortverhältnisse reagiert, ob sie eventuell anders geführt werden muss und wie der Ertrag ausfällt.
Auch der Erfahrungsaustausch innerhalb der Region ist hilfreich. Vielleicht hat der Nachbar im letzten Jahr eine neue Sorte ausprobiert, die besonders gute Druscheigenschaften und einen ordentlichen Ertrag geliefert hat. Bei gleichen Standortbedingungen spricht viel dafür, dass die Sorte auch bei Ihnen funktioniert. Durch einen solchen Austausch unter Kollegen können wertvolle Erfahrungen gesammelt werden.
Gezielt vermarkten
Eine Hochertragssorte stellt einen großen Hebel für den Gewinn dar, solange bei der Vermarktung auch hohe Erlöse erzielt werden können. Jedoch zeigt der jüngste Preisverfall bei Getreide und Raps, dass Spitzenerträge allein nicht ausreichen, um im Ackerbau Geld zu verdienen (Abb. 1 und 2): Mindestens genauso wichtig wie die richtige Sorte ist das optimale Timing bei der Vermarktung. Wer sich als Ackerbauer heute ausschließlich mit der Bestandesführung beschäftigt, hat zwar am Ende hohe Erträge. Er kann diese aber nicht in Gewinn umsetzen, weil die besten Preise im Saisonverlauf ungenutzt verstrichen sind.
Gefragt ist deshalb eine Vermarktungsstrategie, bei der – abhängig von der eigenen Risikobereitschaft – Regeln für den Verkauf definiert werden. Mit der Entscheidung, wann und zu welchem Preis verkauft wird, ist es längst nicht getan. Vielmehr muss laufend der Spielraum ausgelotet werden, den die einzelnen Märkte bieten. Wer besondere Qualitäten, sortenreine Lagerung großer Partien oder permanente Lieferfähigkeit garantieren kann, ist gefragter Geschäftspartner für Handel und Mühlen. Wichtig für den Vermarktungserfolg ist aber auch eine langfristige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Handelspartnern vor Ort. Will man die Vorteile von langfristigen Kontrakten und Vorverträgen nutzen, dann braucht man stabile Erträge und entsprechende Puffer. Wer Deckungskäufe tätigen muss, um einen Vorkontrakt zu bedienen, der hat schon verloren. Um erfolgreich vermarkten zu können, muss man seine Stückkosten kennen. Nur so lassen sich Zielpreise definieren. Auf dieser Grundlage kann man Vermarktungsrisiken minimieren, zum richtigen Zeitpunkt zuschlagen und gerät nicht in Gefahr, beim Warten auf den höchsten Preis den Bogen zu überspannen.
Chancen nicht verstreichen lassen
Erstaunlicherweise folgt die Vermarktung selbst in vielen großen Ackerbaubetrieben keinem richtigen Plan. Das Thünen-Institut hat voriges Jahr bei einer Befragung von 40 Betriebsleitern aus dem ganzen Bundesgebiet mit im Schnitt über 600 ha Betriebsgröße herausgefunden, dass 44 % von ihnen zumindest vor der Ernte keine Vermarktungsstrategie haben oder umsetzen. Vorkontrakte sind in den meisten Betrieben inzwischen zwar Standard. Aber schon Prämienkontrakte oder gar Optionen werden nur äußerst sporadisch eingesetzt. Die Warenterminbörse fristet noch ein Schattendasein und wird allenfalls zur Preisinformation genutzt. Auch wenn die Befragung aufgrund der kleinen Stichprobe nicht repräsentativ ist, so kann sie dennoch als Momentaufnahme ein Anhaltspunkt zur Einschätzung der gegenwärtigen Situation ein.
Die Befunde der Braunschweiger Wissenschaftler stehen in krassem Gegensatz zu den Notwendigkeiten, die sich im betrieblichen Risikomanagement aus volatilen Märkten ergeben. Nehmen wir den jüngsten Kursrutsch beim Weizen: Wer die Monate März und April nicht für einen Vorverkauf nutzte, musste im Mai den guten Preisen hinterherschauen.
Derzeit wagt sich kaum ein Marktexperte aus der Deckung, wohin die Reise bei den Weizenpreisen geht. Zu unübersichtlich ist die Lage zwischen absehbar großen Ernten bei uns und einer möglichen Zuspitzung der Krise in der Ukraine. Es ist für unternehmerische Landwirte daher unerlässlich, dass jeder Betrieb seine eigene Strategie entwickelt, mit der einerseits die vorhandenen Potenziale bestmöglich und nachhaltig genutzt und andererseits die Chancen am Markt konsequent ergriffen werden können.