Wenn eine Sorte aufgrund ihres landeskulturellen Wertes vom Bundessortenamt die offizielle Sortenzulassung erhält, liegen neun Jahre Züchtungsarbeit und drei Wertprüfungsjahre hinter ihr. Das Qualitätsmanagement für das Saatgut beginnt mit der Ernte des Saatgutes aus der Erhaltungszüchtung, das für die Erzeugung von Vorstufen- und Basissaatgut eingesetzt werden soll. Ein Beispiel: Die Weizensorte Franz wurde 2014 zugelassen. Bereits zur Ernte 2012 begann die Qualitätssicherung im Rahmen der Saatgutproduktion parallel zum dritten Wertprüfungsjahr.
Größte Sorgfalt bei der Aussaat
Das beginnt schon mit Auswahl der Vermehrungsflächen. Diese müssen optimale Voraussetzungen zur Produktion von Vorstufensaatgut mitbringen. Vorteilhaft ist z.B. eine zweimalige Blattvorfrucht (Erbse/Raps) oder eine zweimalige Hackvorfrucht (Zuckerrübe/Kartoffeln).
Auch bei der Wahl des Aussaatzeitpunktes und der Saatstärke sollte man sich im Optimum bewegen. Im Fall der Sorte Franz erfolgte die Aussaat zu einem in der Vorharzregion üblichen Saatzeitpunkt in der ersten Oktoberwoche mit einer Saatstärke von 280 Kö/m2.
Kontrolle durch „Nachkontrollanbau“
Wenn ein Stamm – also ein noch nicht zugelassener Sortenkandidat – im Aufwuchs sortenuntypische Merkmale zeigt, kann dies unterschiedliche Ursachen haben: z.B. Bearbeitungsfehler, Witterungs- oder Nährstoffprobleme am Standort oder aber genetische Abweichungen. Um herauszufinden, ob diese Abweichungen auf den Standort oder die Bearbeitung zurückzuführen sind, erfolgt parallel eine Aussaat des Saatgutes im Nachkontrollanbau (NKA). Einmal in Form einer Doppelparzelle im Zuchtgarten sowie auch beim Bundessortenamt. Die Durchführung eines NKA ermöglicht es, eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen, falls es zu Abweichungen zwischen den Pflanzen kommt. Zeigen sich die Auffälligkeiten nur an einem der Standorte, spricht dies für eine ackerbauliche Ursache, ein züchterisches Problem liegt dann aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor. Wenn jedoch an allen Prüforten ähnliche Auffälligkeiten zu beobachten sind, spricht dies für genetisch abweichende Pflanzen. Deren Anzahl darf die engen Toleranzgrenzen nicht überschreiten, wenn die jeweilige Partie als Saatgut anerkannt werden soll.
Frühe Sortenempfehlungen für mehr Sicherheit beim Vermehrungsanbau
Auf Grundlage der zweijährigen Wertprüfungsergebnisse wird von den Züchtern und Produktmanagern eine vorläufige Sortenbeschreibung erarbeitet. Diese gibt dem Vermehrer die Möglichkeit, einen geeigneten Standort für die Saatgutproduktion auszuwählen und eine sortenangepasste Bestandesführung umzusetzen. Dies ist sehr wichtig, denn nur wenige Weizensorten können ihre Vorteile auf allen Standorten gleichermaßen ausspielen. Steht eine Sorte auf einem für sie ungeeigneten Standort – z.B. eine Sorte mit geringer Winterfestigkeit auf einem frostgefährdeten Standort – dann erhöht sich das Risiko, deutlich unter der möglichen Leistung in Ertrag und Qualität zu bleiben. Stehen die Winterweizen Vermehrungsflächen fest, erfolgt im März deren Anmeldung bei der zuständigen Anerkennungsstelle.
Transparenz ist wichtig
Vermehrungsschläge müssen zu Beginn der Feldbesichtigung durch ein Schild gekennzeichnet werden, das folgende Angaben enthält: Fruchtart, Sortenname, beantragte Kategorie, Schlagbezeichnung und Schlaggröße, Anschrift des Vermehrers, VO-Firma. Schon jetzt können interessierte Praktiker so Eindrücke von einer Sorte sammeln.
Die arbeitsintensive „Bereinigung“ lohnt sich
Mit Beginn des Schossens im EC 37, erfolgt bei der Nordsaat eine regelmäßige Kontrolle des Feldbestandes durch einen verantwortlichen und besonders geschulten Mitarbeiter. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Sortenechtheit, d.h. auf die Ermittlung des Besatzes mit so genannten „abweichenden Typen“ gerichtet, weil dieser nur im Feld und nicht mehr in der Saatgutuntersuchung im Labor zu erkennen ist. Unter abweichenden Typen versteht man andere Sorten der gleichen Art oder nicht hinreichend sortenechte Pflanzen (z.B. Längenabweicher, Abweicher in Ährenform oder der Bereifung sowie Aufspalter).
Treten abweichende Merkmale auf, wird der Feldbestand „bereinigt“. Dabei gehen geschulte Mitarbeiter/innen systematisch durch den Feldbestand und ziehen die abweichenden Pflanzen heraus, so dass diese nicht zur Samenbildung gelangen. Die Vorstufenproduktion der Neuzulassung Franz wurde mit 366 Stunden Gesamtaufwand bereinigt, das entspricht 18,3 Stunden/ha bei einer Vermehrungsfläche von 20 ha. Die FacharbeiterInnen benötigten somit in Summe 5,7 Tage für die Bereinigung des Bestandes eines Jahres.
Dieser enorme Aufwand ist notwendig und zahlt sich am Ende aus, denn die Sorte erreicht so eine sehr hohe Homogenität – die Grundvoraussetzung für eine problemlose Vermehrung in den weiteren Stufen zu Basis- und ZS-Saatgut. Dieser Vorgang wiederholt sich in jedem Jahr, solange eine Sorte „lebt“ und vermarktet wird. Das garantiert eine hohe Sortenechtheit des verkauften Saatgutes.
Externe (Abschluss-) Kontrolle: offizielle Saatgutanerkennung
Begleitet wird dieser Prozess durch die offizielle Saatgutanerkennung, bei der die Vorstufen- und Basissaatgutvermehrungen zweimal besichtigt werden. Der Feldanerkenner überprüft bei der Besichtigung zunächst die Flächengröße und die angegebene Sorte. Daneben achtet er besonders auf die Merkmale Sortenechtheit, Fremdbesatz mit anderen Arten, Unkrautbesatz und Gesundheitszustand hinsichtlich samenübertragbarer Krankheiten (s. Abb. 1, zum Vergrößern bitte Anklicken).
Ein konsequentes Qualitätsmanagement ist für die Saatgutqualität und damit den Erfolg einer Sorte in der Praxis äußerst wichtig. Dazu kommt ein sehr interessanter Nebeneffekt: Weil in der Saatgutvermehrung Vorfrucht und Bestandesführung optimiert sind und die Sorte an dem für sie geeigneten Standort steht, kann die Sorte zeigen, was in ihr steckt. Im Fall Franz waren das 120 dt/ha brutto – bei ausgezeichneter Saatgut- und Backqualität.