In den meisten Regionen Thüringens ist die Sommergerste im Vergleich zur Wintergerste durch die im Frühsommer oft fehlenden Niederschläge ertragssicherer. Auch die Qualitäten machen hier keine Probleme. Mit 360 ha hat die Braugerste bei der Agrargenossenschaft Rannstedt e.G. ihren festen Platz in der Fruchtfolge.
2014: Top-Erträge und sehr gute Qualitäten
Mit dem Vegetationsverlauf zeigt sich Holger Heyse, verantwortlich für die Sparte Ackerbau, 2014 sehr zufrieden. „Wir drillen die Gerste immer so früh wie möglich, in der Regel im Februar. Aufgrund der typischerweise oft wochenlang fehlenden Niederschläge ist eine frühe Saat sehr wichtig. In diesem Jahr kam die Sommergerste sehr schlecht in Gang, hat dann aber nach dem Niederschlag im Mai alles aufgeholt. Im Prinzip war die Niederschlagsmenge von gut 80 mm im Mai optimal: Wir hatten sehr gute Erträge und Qualitäten.“ Betrachtet man die letzten fünf Jahre, so liegt der Durchschnittsertrag der Braugerste im Betrieb etwa bei 60 dt/ha, 2014 war er jedoch deutlich höher – stellenweise über dem des Weizens.
Die Agrargenossenschaft Rannstedt e.G. hält die Anbaufläche bei 360 ha seit Jahren konstant – im gegenläufigen Trend zu vielen anderen Betrieben in der Region, die bei schlechten Preisen oft von dieser Sommerung abrücken bzw. deren Fläche reduzieren. Doch eine Flächenreduktion kommt für Heyse zzt. nicht in Frage. Und dazu führt der Betriebsleiter eine ganze Reihe guter Gründe auf:
Vorverträge als Sicherheit
Die Rannstedter Agrargenossenschaft e.G. kontrahiert seit Jahren etwa ein Drittel der erwarteten Erntemenge in Vorkontrakten mit den Erfurter Malzwerken. Die übrigen zwei Drittel werden mit demselben Vermarktungspartner dann frei verhandelt. Sollte es in Ausnahmefällen einmal Partien geben, deren Proteingehalt nicht den Vertragsbedingungen entspricht, fließt diese Futtergerste dann ebenfalls über die Malzwerke ab. Das funktioniert nur reibungslos bei gewachsenen Beziehungen, auf die Heyse großen Wert legt. „Das Malz unserer Braugerste landet im Apoldaer Bier und das wird hoffentlich noch lange so bleiben.“
Braugerste als Bereicherung der Fruchtfolge
Auf die Frage, wie er den Wert der Sommerbraugerste berechnet, rückt Heyse klar von einer reinen Deckungsbeitragsrechnung ab. „Damit wird man der Braugerste nicht gerecht. Zumindest in unserem Betrieb reicht eine Deckungsbeitragsrechnung nicht zur Wertfeststellung aus“, stellt Heyse klar. Zu vielseitig seien die Vorteile: Eine besondere Rolle spiele bei ihm die Entzerrung der Arbeitsspitzen und die bessere Maschinenauslastung. „Wenn ich alternativ auf den 360 Hektar Winterweizen stehen hätte, würde es spätestens bei der Ernte arbeitstechnisch richtig eng werden. Gerstenernte ist bei uns vor der Weizenernte, hinzu kommt, dass die Gerste nach einem Regenschauer schneller trocknet als Weizen und es hier seltener zu nennenswerten Ernteverzögerungen kommt.“
Geringer Produktionsaufwand
Nicht zu unterschätzen – auch monetär – sei der geringe Aufwand beim Braugerstenanbau. „Wir pflügen zur Gerste und bringen bei der Bodenbearbeitung Phosphor mit aus und drillen ca. 140–160 kg/ha. Dann werden einmal 80 kg Stickstoff/ha eingebracht, eine Unkraut- und eine Fungizidbehandlung und das war es auch schon“, fasste Heyse die Produktionstechnik zusammen. Was, wenn der Marktpreis noch weiter sinkt? Würde das seine Einstellung grundsätzlich ändern? „Im Prinzip sinkt fast immer der Braugerstenpreis zeitnah mit dem Weizenpreis. Die Braugerste muss sich bei mir mit dem Stoppelweizen messen, der aber niederschlagsbedingt relativ ertragsschwach ist. Die mehrjährigen Vorverträge mit den Malzwerken puffern sinkende Preise etwas ab. Ich sehe also nicht, dass schwankende Preise unsere Fruchtfolge wesentlich beeinflussen.“
Und wie sieht die Prognose für seine Region aus?
„Ich glaube, dass diejenigen, die jetzt noch dabei sind, auch weiter Braugerste anbauen werden. Vielleicht werden hier und da noch ein paar Hektar einer anderen Kultur zugeschlagen, aber der Braugerstenanbau hier bleibt erst mal auf dem niedrigen Niveau stabil.“
Auch im Rheinland gibt es Praktiker, die auf Braugerste nicht verzichten wollen oder können. Einer von Ihnen ist Wilhelm-Josef Schäfer, Vorsitzender des Vereins zur Förderung des Braugerstenbaues Voreifel e.V. Das Voreifelgebiet ist eines der kleinsten Braugerstenanbaugebiete im Bundesgebiet, das aber immer wieder durch seine Spitzenqualitäten bei Mälzereien und Brauereien von sich reden macht. Aber auch hier ist die Mitgliederzahl in den letzten Jahren deutlich gesunken, was Schäfer nicht nur den unattraktiven Baugerstenpreisen zuschreibt, sondern zu einem nicht unerheblichen Teil dem Strukturwandel. Der Verein zählt aktuell ca. 40 Mitglieder, die unter anderem von der Anbauberatung, der engen Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer profitieren. Während Schäfer selbst Braugerste vermehrt, schließen die meisten Mitglieder zumindest für einen guten Teil der erwarteten Erntemenge Konsumbraugerste Vorkontrakte mit dem Handel ab. Werden mehr als 200 Tonnen sortenrein angeliefert, ist eine Vermarktung normalerweise problemlos möglich.
Argument dafür: die geringen Kosten
Auch für Wilhelm-Josef Schäfer als Vermehrer von Braugerste ist ein wesentliches Argument für diese Kultur der geringere Arbeitsaufwand. Seiner Meinung nach sind deshalb „80 dt/ha Braugerste mehr wert als 100 dt/ha Wintergerste.“
Die Böden sind teilweise heterogen und tonhaltig und erfordern Sorgfalt bei der Bodenbearbeitung aber auch bei der Wahl des Saattermins – auf tonhaltigen Böden nicht zu früh drillen ist die Devise. Die Sommerung hat auf tonhaltigen Böden in Höhenlagen zudem den Vorteil einer unkomplizierteren Aussaat aufgrund der Frostgare. Bei der Produktionstechnik kommt man auch im Rheinland mit einer Pflanzenschutzmaßnahme und einer Düngung aus. Wobei Schäfer in der Stickstoffmobilisierung hinsichtlich der Braugerstenqualität bei modernen Sorten kein Problem mehr sieht: „Moderne Sorten verzeihen qualitativ auch mal Düngefehler.
Kommt viel Stickstoff, ist oft die Standfestigkeit das größere Problem“, hat er in den letzten Jahren festgestellt. „Man kann jetzt auch Braugerste auf den besseren Böden anbauen und mehr auf den Ertrag hinarbeiten, was die ganze Sache ein wenig lukrativer macht, trotz miserabler Preise. Wir hatten 2014 auf Praxisschlägen teilweise über 80 dt/ha und damit deutlich mehr als im Schnitt der Jahre.“
Ungraskontrolle + mehr Ertragssicherheit
Es gebe regional Ackerfuchsschwanzprobleme, die mit einer Sommerung wie Braugerste gut zu bekämpfen seien, weist Schäfer auf ein wesentliches Argument für die Braugerste hin. „Die klassische Fruchtfolge wie Weizen-Weizen-Raps bzw. Weizen-Gerste-Raps schafft mittelfristig erhebliche Ungrasprobleme, besonders bei pflugloser Bestellung. Die Möglichkeit, Mais anzubauen und so das Problem zu entschärfen, ist aufgrund oft ausgeprägter Frühsommertrockenheit begrenzt. Hier ist Sommergerste ertragssicherer als Mais und auch Wintergerste, die oft auswintert.“
Die Prognose für das Rheinland
In den tieferen Lagen der Voreifel hat Sommergerste es zunehmend schwerer, sich gegen Mais und Wintergerste durchzusetzen. Der Strukturwandel bei den Mälzereien macht Schäfer ebenfalls Sorgen: „Die nächstgelegenen Mälzereien sind in Oberhausen und Koblenz – da drückt dann auch noch die Fracht auf den Preis.“
Nach Einschätzung von Wilhelm-Josef Schäfer bleibt diese Kultur im Rheinland eine Nischenkultur „Aber diejenigen, die nicht nur auf den Deckungsbeitrag schauen, sondern auch Ungrasprobleme mit der Sommergerste in den Griff bekommen, bleiben dabei.“
Die Gespräche führten: Roy Baufeld/Dr. Anke Boenisch
(Thüringen); Friedhelm Simon/Dr. Anke Boenisch (Voreifel)
Betriebsübersicht Rannstedter Agrargenossenschaft e.G. |
31 AK, 8 Festangestellte für Ackerbau |
2.100 ha LN, Bodenart/Bodenpunkte |
Jahresniederschläge (Mittel 30 Jahre): 500–550 mm/m²; 170–180 NN |
Ca. 400 Milchkühe und 550 Bullen |
Betriebsübersicht Rittergut Vlatten (Heimbach) |
440 ha LN ca. 80 ha Braugerste |
Besonderheit: Schlaggröße im Schnitt nur 6 ha |
Wechselnde, oft tonhaltige Böden |
220-300 NN |