Neben den traditionellen Partnern aus Wissenschaft, Landwirtschaft und Verarbeitung macht zunehmend ein neuer Player in der Branche auf sich aufmerksam. Er heißt „Verbraucher“ und bringt mit seinen Forderungen bewährte Strukturen ins Wanken. Der Umgang mit diesem, in vielen Bereichen der Landwirtschaft noch weitgehend unbekannten Wesen, will gelernt sein. Wie kann man mit unbequemen Verbraucherfragen umgehen, welche Folgen haben sie für die Lebensmittelkette? Eine kontroverse Diskussion.
Effizienz wird unterschiedlich definiert
Als Vertreter der Landwirte warnte Hubertus Paetow , Saatgutvermehrer und Vizepräsident der
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) vor der alleinigen Frage nach der Effizienz. „Wir müssen aufpassen, dass uns dies nicht irgendwann einmal auf die Füße fällt, wie dies den Tierhaltern gerade im Moment passiert.“ Pflanzenzüchtung ist für ihn ein wichtiger Beitrag zu nachhaltigeren Anbaumethoden. Als Beispiel nannte er die aktuelle Novellierung der Düngeverordnung und die Chance, über entsprechende Sorteneigenschaften die N-Bilanzen zu verbessern. „Fortschritt hilft an dieser Stelle Konflikte zu entschärfen“, so sein Statement. Dies müsse man aber auch in geeigneter Weise an die Verbraucher kommunizieren. Smarte Technologien seien per se bestens geeignet, das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit aufzuwerten.„Die Hybridzüchtung ist solch eine smarte Technologie“, sagte Dr. Friedrich Longin , der wissenschaftliche Leiter Weizenforschung der Universität Hohenheim. Doch er warnte vor der Gefahr, dass die Hybridzüchtung das gleiche Schicksal wie die Gentechnik erleiden könne. Er plädierte für eine seriöse Argumentation, auch wenn wissenschaftliches und faktenbasiertes Wissen nicht immer verstanden werde. Es sei wichtig, nach dem Verlustanderer, nicht akzeptierter Züchtungsverfahren die sehr gute Marktstellung Deutschlands in der Hybridzüchtung zu erhalten. „Hybridzüchtung ist zwar nicht die Rettung der Welt, aber sie ist ein wichtiger Baustein für die Lösung vieler – auch verbraucherrelevanter – Probleme.“
Für Michael Gutting , Geschäftsführer der Saalemühle Alsleben erklärt sich Effizienz aus der Nähe zum Verbraucher. „Was macht eine Sorte effizient? Sind es die Kohlehydrate, ist es der Genuss oder vielleicht die Erfüllung eines Lifestyles?“ Alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten redeten zwar von Effizienz, jeder aber meine damit nur das, was ihm wichtig sei. Gutting interessieren die Schnittstellen der unterschiedlichen Definitionen. „Die Gesellschaftsthemen sind vielfältig, damit muss sich die Züchtung in Zukunft viel stärker auseinandersetzen.“ Mehl sei kein einfacher Rohstoff mehr: „Eine wettbewerbsfähige Bäckerei hat heute mehr als 100 Produkte in den Regalen. Zu liefern, was der Konsument verlangt, ist Chance und Herausforderung zugleich.“
Udo Pollmer , wissenschaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften, fungierte in der Diskussion sozusagen als leibhaftige Schnittstelle, von der Gutting gesprochen hatte. „Wie sieht der Verbraucher den Züchter?“ Seine provokante Antwort: „Als Verlängerung des einarmigen Banditen!“ Vor allem in der jungen Generation herrsche mitunter die Auffassung, dass der Züchter den bedauernswerten Bauern das Saatgut wegnehme, es dann vergifte, um es anschließend wieder teuer zurück zu verkaufen. Harter Tobak, doch wer Pollmer kennt weiß, wie es zu verstehen ist. „Holen Sie die Verbraucher dort ab, wo sie stehen“, forderte er. „Erzählen Sie, was Züchtung zu leisten in der Lage ist – mit einfachen Worten und verständlichen Bildern, dann haben Sie eine Chance.“
Verbraucher wollen Sicherheit
Züchter sind in der Wissenschaft zu Hause und vertrauen naturwissenschaftlichen und biologischen Zusammenhängen. Verbraucherrelevante Themen standen eher selten auf ihrer Agenda. Mit der sich jetzt jedoch wandelnden Situation setzte sich die anschließende Diskussion auseinander.
Eine wichtige Aufgabe der Züchtung ist es, den Landwirten Züchtungsfortschritt zu liefern. Frauen ist überzeugt, dass vor allem bei Getreide das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist. In der Getreide-Hybridzüchtung befinde man sich in der Umstellungsphase, die etwa 25 Jahre dauern werde, wie die Erfahrung aus der Mais- und Rapszüchtung zeige. Hybridweizen sei vor allem in Frankreich fest etabliert, gewinne aber auch in Deutschland an Bedeutung. Fazit: Züchtung und Wissenschaft sind überzeugt vom hohen Nutzen der Hybridzüchtung etwa für die Ernährungssicherung der Weltbevölkerung.
Unschlagbare Argumente auch für den Verbraucher? Klares Nein, denn nach Meinung der Experten interessierten Mehrleistungen im Sinne des Landwirts den Verbraucher nicht. Der Verbraucher wolle Sicherheit, nicht mehr und nicht weniger. Der Begriff „Bio“ sei ein Synonym für genau diese Sicherheit, und „regional“ sei das neue „Bio“. Gegenüber neuen Technologien gebe es zunehmend Vorbehalte, weil sie nicht verstanden würden. Pollmer befürchtet, „dass das Basisvertrauen in die Agrarbranche verlorengegangen ist. Der Fachwelt ist irgendwann die Deutungshoheit abhanden gekommen.“
Das könne auch zu einem Akzeptanzproblem für die Hybridzüchtung werden. Es sei von entscheidender Bedeutung, das Vertrauen wieder zu gewinnen. Nur so könne man zukünftig moderne Züchtungsmethoden nutzen, ohne beim Verbraucher in Verruf zu geraten. Sollte sich der Verbraucher beispielsweise vor molekularbiologischen Methoden „ekeln“ oder diese fürchten, werde er sie konsequent ablehnen – mit gravierenden Folgen für zukünftige politische Entscheidungen.
Nach Pollmer nimmt medial eine fünfprozentige Minderheit unmittelbar über mächtige NGOs wie Greenpeace oder BUND Einfluss auf die Politik. Daraus resultieren politische Entscheidungen mit restriktiver Wirkung auf die Landwirtschaft.
Der Züchtungsbranche fehlten derzeit geeignete Instrumente, dem etwas Adäquates entgegenzusetzen. Eine neue Kommunikationskultur sei nötig, die auch soziale Netzwerke einbeziehe. Die dort verwendete Sprache habe wenig mit einer wissenschaftlichen, faktenbasierten Diskussionskultur zu tun. Aber dort werde Meinung gemacht!
Den Verbraucher abholen, wo er steht
Man müsse zunächst einmal die klassische Züchtung erklären, bevor man über neue Technologien spreche. Und man müsse vor allem den Nutzen für den Verbraucher deutlich machen. Gesundheit, Aussehen, Geschmack – diese Dinge seien aufgrund des Mehrwertes für den Verbraucher von Interesse. Gerade dies lasse sich mit der konventionellen Züchtung wunderbar erklären. Denn die Produkte, die heute bei Verbrauchern hoch im Kurs stehen, seien schließlich Ergebnisse mühevoller Züchtung. Vielen Verbrauchern sei das nicht bewusst.
Fazit
Die Zusammensetzung der Marktpartner für den Züchter verändert sich. Da ist der Landwirt mit seinen Ansprüchen, die sich je nach Standort und Nutzung erheblich unterscheiden, Sortenvielfalt ist also notwendig. Der Müller hätte gerne weniger Vielfalt – wenige, genau definierte Qualitätssorten würden ihm die Logistik erleichtern. Im Spiel der Märkte bleibt der Verbraucher, unterworfen von oftmals schnelllebigen Moden und Trends, die große Unbekannte mit erheblichem Einfluss. Für die Branche heißt das: Der Verbraucher sitzt zukünftig mit am Tisch.
Friederike Krick