Auf immer mehr Flächen entwickeln Ungräser und -kräuter Herbizidresistenzen, was nicht grundsätzlich ein neues Phänomen ist.
Photosynthese II-Hemmer (HRAC-Klasse C2): Bei Photosynthese II-Hemmern mit den Wirkstoffen Isoproturon oder Chlortoluron wurden bereits vor Jahrzehnten die ersten Minderwirkungen festgestellt. Mittel wie Arelon, Fenikan, Carmina oder Trinity kommen daher für eine wirksame Windhalmbekämpfung oft nicht mehr infrage. Darüber hinaus schränken die Drainageauflagen und weitere Anwendungsbestimmungen zum Grundwasserschutz die Einsatzmöglichkeiten dieser Wirkstoffe weiter ein. Die Anwendung ist auf den Bodenarten reiner Sand, schwach schluffiger Sand und schwach toniger Sand mit einem geringen Corg-Gehalt nicht erlaubt.
ALS-Hemmer (HRAC-Klasse B): Zunehmende Schwierigkeiten bereitet bei dieser Wirkstoffgruppe, zu denen auch die Sulfonylharnstoffe gehören, die rasch um sich greifende Resistenz. Betroffen hiervon sind Mittel wie z.B. Falkon, Broadway, Husar, Atlantis, Attribut, Monitor, Concert usw. Weisen betroffene Schläge dann noch eine Resistenz gegenüber den ACCase-Hemmern Axial (Komplett), Traxos oder Ralon Super (HRAC-Klasse A) auf, wird es allmählich eng.
Für eine wirksame Windhalmbekämpfung kommen dann praktisch nur die Wirkstoffe Prosulfocarb (= Boxer, Filon; HRAC-Klasse N) oder Flufenacet (HRAC-Klasse K3) infrage. Speziell das Flufenacet ist in zahlreichen Herbstherbiziden enthalten, wie z.B. dem Bacara Forte, Cadou SC, Herold SC oder Malibu. Das Produkt Malibu beinhaltet neben dem Flufenacet zusätzlich noch den Stomp-Wirkstoff Pendimethalin (HRAC-Klasse K1), der auch über eine gewisse Gräserwirkung verfügt. Allein ist dieser Wirkstoff zur Windhalmbekämpfung zu schwach, sodass er einer wirksamen Ergänzung bedarf (s. Malibu). Dies bedeutet letztendlich, dass als mögliche Alternativen für die Windhalmbekämpfung lediglich ein Prosulfocarb und ein Flufenacet zur Verfügung stehen.
Mangelnde Verträglichkeiten grenzen den Spielraum weiter ein
Bedauerlicherweise gibt es Konstellationen, in denen beide Wirkstoffe – Prosulfocarb und Flufenacet – die Kulturpflanze schädigen können. Im vergangenen Herbst zeigten sich im Gebiet der Lüneburger Heide öfter deutliche Schäden durch Prosulfocarb, obgleich das Präparat Filon im frühen Nachauflauf (EC 10) eingesetzt wurde. Da bisher plausible Erklärungsansätze fehlen, wird die Bezirksstelle Uelzen der Landwirtschaftskammer von einer weiteren Empfehlung dieses Produktes in Roggen Abstand nehmen.
Mangelnde Verträglichkeit kann auch beim Flufenacet zum Problem werden: Speziell im Winter 2009/2010 führte in Niedersachsen der Einsatz von Malibu auf zahlreichen Roggenschlägen zu Totalschäden, sodass die Flächen umgebrochen werden mussten. Im Weizen gab es dagegen keinerlei Probleme.
Aus Gründen des Resistenzschutzes kann jedoch auf diese Wirkstoffe auch nicht verzichtet werden. Hinzu kommt, dass es Flächen gibt, auf denen weder ein IPU (Photosynthese II-Hemmer), noch ein Sulfonylharnstoff, noch ein ACCase-Hemmer ausreichend Wirkung zeigen. Hier ist das Flufenacet neben dem Boxer die einzige Alternative, den Windhalm zu bekämpfen.
Versuche zum optimalen Mitteleinsatz
Zielsetzung von Versuchen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen im Raum Uelzen war die Klärung der Frage, wie kritische Mittel so einzusetzen sind, dass eine ausreichende Windhalmbekämpfung gewährleistet ist und der Roggen nicht nennenswert geschädigt wird.
Aufwandmenge: Das Mittel Herold SC ist mit einer Menge von 0,4 l/ha (160 g/ha Flufenacet) zur Windhalmbekämpfung zugelassen. In der Praxis wird es schon seit Jahren mit nur 0,25–0,3 l/ha (100 g/ha Flufenacet) eingesetzt. Doch trotz dieser um knapp 40 % reduzierten Aufwandmenge kann es unter ungünstigen Konstellationen zu massiven Schäden kommen.
Was sind „ungünstige Konstellationen“? In der Produktinformation ist zu lesen, dass bei „heftigen Niederschlägen kurz nach der Herbizid-behandlung anwendungsbedingte Kulturreaktionen auftreten können“. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit: Versuchsbeobachtungen zeigen, dass es auch zu deutlichen Schäden kommen kann, wenn kurz nach der Anwendung heftige Niederschläge ausbleiben. Insofern ist die Empfehlung, Flufenacet/Herold nicht vor starken Regenfällen auszubringen, wenig zielführend.
Saatgutablage: Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Verträglichkeit von Flufenacet/Herold steigern? Laut Produktinformation ist die „Voraussetzung für eine gute Kulturverträglichkeit ein abgesetztes Saatbett, eine gleichmäßige Saattiefe von 2–3 cm und eine ausreichende Erdbedeckung des Saatgutes“. Klingt logisch und tatsächlich sieht man Effekte. Pflanzen aus sehr flach abgelegten Getreidekörnern (< 1cm) werden deutlich stärker geschädigt als Roggen, der 2–3 cm tief gedrillt ist. Doch auch eine Saattiefe von 2–3 cm ist leider keine Garantie für das Ausbleiben von Pflanzenschäden. Selbst bei einer vermeintlich richtigen Saattiefe kann es – wie unsere mehrjährigen Versuchsergebnisse immer wieder zeigen – zu dramatischen Ertragsausfällen kommen.
Humusgehalt für mehr Verträglichkeit: Bisher traten auf dem Versuchsstandort Ohrensen (Bezirksstelle Bremervörde, Landwirtschaftskammer Niedersachsen) keine Schäden mit dem Wirkstoff auf, während z.B. die Ertragsverluste auf dem Versuchs-standort Immensen (Bezirksstelle Hannover, Landwirtschaftskammer Niedersachsen) zum Teil drastisch waren. In beiden Fällen handelt es sich um sehr sandige Böden (Sandanteil > 70 %). Der einzige entscheidende Unterschied liegt im Humusgehalt. Während der Humusgehalt in Ohrensen bei knapp 4 % liegt, besitzt die Fläche in Immensen nur gut 1 % Humus. Der Einsatz von Flufenacet bzw. Herold auf sorptionsstarken Standorten ist also risikolos möglich.
Saatzeitpunkt: Auch derjenige, der auf sehr sandigen, humusarmen Böden wirtschaftet, kann das Verträglichkeitsrisiko, das mit der Anwendung von Flufenacet/Herold verbunden ist, reduzieren. Ein wesentlicher Punkt ist der Saatzeitpunkt. So lassen bisherige Versuchsergebnisse den Schluss zu, dass es im Roggen zu großen Schäden bei Spätsaaten Ende Oktober oder später kommen kann. Dagegen scheint bei zeitigen Saatterminen im September das Verträglichkeitsrisiko im Roggen deutlich geringer zu sein. Entscheidend dürfte somit die Zeitspanne von der Herbizidanwendung bis zur Vegetationsruhe sein.
Soll also auf sehr sorptionsschwachen Standorten Flufenacet/Herold im Roggen Anwendung finden, ist auf eine zeitig räumende Vorfrucht zu achten. |
Sortenwahl: Wie zahlreiche Versuche der Landwirtschaftskammer Niedersachsen gezeigt haben, reagieren die Roggensorten unterschiedlich auf den Wirkstoff Flufenacet. So ist die Roggensorte SU Mephisto als relativ unempfindlich gegenüber diesem Herbizidwirkstoff einzustufen, während Sorten wie Palazzo, SU Satellit oder Brasetto empfindlich sind. Roggenanbauer sollten auf unempfindliche Sorten wie SU Mephisto zurückgreifen, wenn auf einem sehr leichten, wenig sorptionsfähigen Boden Roggen mit einem Flufenacet-haltigen Herbizid behandelt werden soll.
Fazit
Roggen als Flachwurzler reagiert oft empfindlich auf Herbizidanwendungen. Zu Schäden mit dem Wirkstoff Flufenacet kommt es vor allem auf sehr sorptionsschwachen Standorten. Aus Resistenzgründen kann auf diesen Wirkstoff aber nicht verzichtet werden. Um eventuelle Ertragsverluste durch Flufenacet möglichst gering zu halten, sind auf den o.g. Flächen frühe Saattermine, ausreichende Saattiefen zu wählen und tolerante Sorten wie z.B. SU Mephisto anzubauen.