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Wie aussagekräftig ist der „Biogasertrag“?

Jeder sucht nach der geeigneten Biogassorte für den optimalen Anlagenbetrieb. Aber sollte man aus heutiger Sicht nicht besser nach der optimalen Biogassorte für den bestimmten Anlagentyp fragen? Welche Rolle sollte dabei der Biogasertrag einer Sorte spielen?

Egal ob als Substratlieferant oder als Anlagenbetreiber – die enorme Sortenvielfalt im Maissortiment macht die Entscheidung für die „beste Sorte“ unter den potenziell 700 vertriebsfähigen Sorten von Jahr zu Jahr nicht einfacher. Natürlich verfügt ein jeder „Biogasler“ mittlerweile über ausreichend eigene, wertvolle Praxiserfahrungen aus dem langjährigen Maisanbau, um die passende oder besser gesagt „funktionierende“ Sorte für seinen Anlagenbetrieb zu benennen.

Die Pflanzenzüchtung bietet jedoch Jahr für Jahr neue Biogassorten an – welche Kriterien sind bei der Wahl einer neuen Biogassorte/einem Sortenwechsel für die Praktiker entscheidend? Befragt man die Praktiker direkt nach dem geeigneten Sortenprofil einer Biogassorte, so erhält man in puncto Sortencharakteristik häufig folgende Aussagen: Standorteignung, Ertragsstabilität, Stresstoleranz, Gesundheit, ein variables Erntefenster – viel später folgt dann oft erst das Merkmal Gasertrag. Und dies, obwohl der Parameter Biogasertrag ein bekanntes brancheninternes Kriterium für die Bewertung und damit Eignung einer Biogassorte darstellt.

Hat die Praxis Recht, wenn sie diesen Wert als zweitrangig betrachtet? Warum spielt er trotzdem in der Anlagenpraxis nur eine eher untergeordnete Rolle? Gerade bei neuen Sorten werden viele Informationen zu theoretischen Gasausbeuten und Ertragsergebnissen geliefert. Man muss jedoch kritisch hinterfragen, ob sie noch ausreichender Maßstab sind, um echte Rückschlüsse zur sortenspezifischen „Biogasleistung“ auf der individuellen Anlage überhaupt ziehen zu können.


Situation in den Anlagen ist sehr komplex

Ein kleiner Exkurs zur heutigen Anlagensituation bringt etwas mehr Klarheit:

1. Hydraulische Verweilzeit

Die aus den Jahren des Biogasbooms von 2005 – 2009 stammenden klassischen Mais/Gülle-Biogasanlagen der 500-kW-Klasse haben sich sehr oft durch die stetig notwendigen technischen Anpassungen an die politischen Korrekturmanöver der verschiedenen EEG-Novellen zu leistungsoptimierten hocheffizienten Anlagen entwickelt. Nicht selten finden wir heute – bei gleichem Fermentervolumen – eine fast doppelt so hohe elektrische Anlagenleistung!

In der Konsequenz werden die Systeme mit höheren Fütterungsmengen pro Zeiteinheit bedient, damit die für den Betrieb eines zweiten BHKW (Blockheizkraftwerk) notwendige Rohbiogasmenge überhaupt produziert werden kann. Wo einst z. B. 22 t Mais + 6,6 m³ Gülle pro Tag gefüttert wurden (28 t/Tag), landen heute für den zusätzlichen 250 kW BHKW-Betrieb 35 bis 40 t/Tag Inputmaterial im Fermenter. Damit sinkt naturgemäß die hydraulische Verweilzeit und damit der für die Prozessbiologie zur Verfügung stehende Zeitraum zur Vergärung des Mediums. Früher wurde mit 100 Tagen Verweilzeit bei der Erstauslegung der Anlage kalkuliert. Heute jedoch durchläuft das Substrat die prozessbiologisch wichtige Gasbildungsphase häufig in 30–40 Tagen. Wenn dann noch Substrate mit minderer Qualität wie z. B. stärkerer Lignifizierung und geringer Methanproduktivität zum Einsatz kommen, leidet die Gasproduktion und die Anlagenleistung sinkt. Dies ist ein Grund,
warum technische Verfahren der Substratdesintegration1 in den zurückliegenden Jahren verstärkt auf den Anlagen Einzug gefunden haben. Mittlerweile finden eine Reihe mechanisch oder thermischer Aufbereitungsverfahren substratunabhängig Anwendung, um den enzymatischen Aufschluss der Organik für die Bakterien durch nachträgliche Oberflächenzerkleinerung zu erleichtern. Damit wird die Methanbildung in Menge und Zeiteinheit forciert und so die absolute Methanproduktivität pro Tonne eingesetztem Substrat (Substratmix) optimiert!

2. Methanproduktivität kontra theoretischer Biogasertrag Maissorte

Der Maßstab für die Bewertung der prozessbiologischen Effizienz von Substraten im Anlagenbetrieb ist die Methanproduktivität − die spezifische Methanproduktionsrate, gemessen in Nm³ Gas/m³ Fermentervolumen und Tag. Dieser Wert schwankt in der Praxis im Bereich zwischen 0,8 bis 1,8 und hängt unwiderruflich mit der Effektivität der jeweils auf der Anlage individuell adaptierten Prozessbiologie sowie der Qualität der verwendeten Inputstoffe im Substratmix zusammen.

Die Prozessbiologie wiederum – also die Aktivität der bakteriellen Biomasse – ist ein eigenes, komplex beeinflusstes System im Rahmen des Biogasprozesses. Es gibt viele biochemische Einflussfaktoren wie z. B. pH-Wert, Fettsäurestatus, Temperatur, mesophile/thermophiler Betriebsweise, Viskosität und Verweilzeit. Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung des sortenspezifischen im Exaktversuch ermittelten theoretischen Biogasertrages einer Maissorte also nur gering sein. Wie wissenschaftliche Untersuchungen der LfL Bayern zur Methanproduktivität bereits 2007 gezeigt haben, variiert der theoretische Biogasertrag einer Sorte zudem in Abhängigkeit vom Erntezeitpunkt und damit im üblichen Erntefenster von 30 – 38 % Gesamtpflanzen-TS mitunter bis zu mehr als 100 Nl/kg oTM (Kaiser & Dr. Gronau). Kommen dann noch Standort und Jahreseffekte hinzu, so multiplizieren sich die Einflussfaktoren auf den möglichen Gasertrag und machen die Sortenklassifizierung über den allein rechnerisch ermittelten Biogasertrag nahezu unmöglich.


Ist die Gasausbeute prognostizierbar?

Diese Problematik ist auch der Offizialberatung bekannt, sodass viele Länderdienststellen der Landwirtschaftskammern ganz bewusst bei der Sortenempfehlung von Silomaissorten zur Biogasnutzung auf diesen Umstand bereits eindeutig hinweisen. Ein Beispiel ist der Kommentar der LWK Niedersachsen zur diesjährigen Biogassortenempfehlung: „Wie sich die Unterschiede in der Biomassezusammensetzung konkret auf die Gasausbeute auswirken, ist leider nach wie vor nicht abschließend geklärt. […] In der Praxis werden zum Teil sehr wohl Unterschiede in der Gasausbeute bei unterschiedlichen Silagen wahrgenommen, die auf konkrete Parameter jedoch noch nicht eindeutig zurückzuführen sind.”


Feldtage sind eine ideale Möglichkeit, Sorten„kandidaten“ im Vergleich zu sehen und sich gleich persönlich beraten zu lassen.
Feldtage sind eine ideale Möglichkeit, Sorten„kandidaten“ im Vergleich zu sehen und sich gleich persönlich beraten zu lassen.
Individuelle Erfahrung bleibt entscheidend

Abschließend bleibt festzuhalten: Der angegebene Methanertrag einer Sorte ist in der Regel ein errechneter, nicht in einem Gärversuch ermittelter Wert. Derartige Gärversuche zur Biogasbildung einzelner Maissorten sind sehr aufwendig und werden daher als Laborversuch auch nur sehr selten von Praxisanlagen beauftragt. Nicht zuletzt auch, weil Mais äußerst selten nur als einziges Substrat zum Einsatz kommt. Wie diese Beispiele zeigen, ist die reale Gasertragsleistung einer Biogasanlage von einer Vielzahl an Faktoren abhängig und kann auf Substratseite nicht einzig und allein am Parameter Methanertrag einer Maissorte abgeleitet werden. Somit sollte der errechnete Methanertrag nicht von vornherein das alles entscheidende Kriterium für die Sortenwahl sein, denn er kann nicht die realen Bedingungen der Anlage vor Ort widerspiegeln. Zumal der erfahrene Anlagenbetreiber anhand der messbaren Methanproduktivität im Kontext mit seinem individuell verwendeten Substratmix im Anlagenbetrieb die Maissorten hinsichtlich ihrer Biogaseignung quantitativ von Jahr zu Jahr am sichersten bewerten kann.

Und zu guter Letzt sind es dann die eingangs genannten Argumente, die bei der spezifischen Sortenfrage und Wahl für eine neue Biogassorte die wesentliche Entscheidungsgrundlage liefern: Standorteignung, Ertragsstabilität, Stresstoleranz (z. B. Sudrix) und eine gesunde, sichere Abreife (z. B. Surprime). Die nötigen Sorteninformationen hierzu liefern neben den offiziellen Versuchsergebnissen natürlich auch die zahlreichen regionalen Feldtage sowie die Beratungsmedien der Züchter.

 

Stephan Weniger

 

Stand: 11.10.2016