Es dauert trotz modernster Zuchtmethoden noch immer ca. 10 Jahre, bis eine Sorte die offizielle Zulassung erhält. Der lange Weg dorthin beginnt bei den Züchtern, die sich schon früh hinsichtlich ihrer Zuchtziele festlegen. Kristallisiert sich nach vielen Selektionsschritten in internen Prüfungen ein vielversprechender Kandidat heraus, wird dieser für die offizielle Wertprüfung des Bundessortenamtes angemeldet.
Bereits zu diesem Zeitpunkt tritt das Team auf den Plan, das diese Sorte bis zu ihrer Markteinführung und darüber hinaus begleiten wird. Der Züchter versorgt das Team Produktmanagement schon sehr früh mit wertvollen Informationen, die er zu den Sortenkandidaten bis dahin in seinen Vorprüfungen gesammelt hat. Andersherum bekommt der Züchter von der Vertriebsorganisation laufend Einschätzungen zu den europäischen Märkten: Welche Ansprüche haben die einzelnen Länder an Sorten, welche Sorten komplettieren das Portfolio in den nächsten Jahren etc.? Informationen, die auch in die Auswahl der Anmeldekandidaten einfließen.
Intensive Prüfung vor der Zulassung
In fast jedem europäischen Land gibt es ein Sortenprüfsystem, das mit der deutschen Wertprüfung (WP) vergleichbar ist. Allerdings prüft nicht jedes Land wie Deutschland drei Jahre, manche testen auch nur zwei Jahre. Es kommt also vor, dass eine Sorte in einem anderen Land eine Zulassung hat, während sie in Deutschland noch geprüft wird. Solche EU-Sorten sind zwar auch hierzulande vertriebsfähig, eine Zulassung durch das Bundessortenamt bringt jedoch in jedem Fall Vorteile bei einer Markteinführung.
Erreicht ein Kandidat das dritte WP-Jahr, wird er für das Produktmanagement erst richtig interessant (s. Abb. 1). Alle bisher vorliegenden Daten aus allen im In- und Ausland durchgeführten offiziellen Prüfungen, aber auch aus den Vorprüfungen und Beobachtungen der Züchter werden in eine umfassende Datenbank eingegeben. So kann man früh regionale Auswertungen durchführen: Wo hat die zukünftige Sorte ihre Stärken – und wo nicht? Ein Beispiel: Die Sortenleistung in Abhängigkeit bestimmter Standortfaktoren und Witterungsdaten zeigt auch, wie ein Kandidat mit mangelnder Wasserversorgung zurechtkommt. Gegen Trockenheit empfindliche Sorten sind für die leichten Standorte im regenarmen Brandenburg wenig geeignet, können aber in Schleswig-Holstein durchaus Leistungsträger werden.
Das letzte Prüfjahr vor der Zulassung ist das aufwendigste
- Produktionstechnische Exaktversuche: Die SAATEN-UNION macht seit 2008 eigene, detaillierte Exaktversuche, die sich jedoch anders als die Wertprüfungen mit konkreten ackerbaulichen Fragestellungen auseinandersetzen. Geprüft werden bei Winterweizen und Hybridweizen z.B. Früh-, Spät- und Mulchsaateignung, N-Effizienz oder auch die Stressstabilität einer Sorte, indem z.B. Stoppelweizen in Frühsaat ohne Pflug angebaut wird. Diese Versuche, die von der Versuchsstation Moosburg gemanagt werden, liefern Informationen über das Anbauverhalten, die später bei der Anbauberatung eine wichtige Rolle spielen werden. Ein Beispiel für die praktische Anwendung der Versuchsergebnisse: Die 2016 zugelassene Winterweizensorte Nordkap zeigte in diesem Prüfsystem, dass sie auch auf für den Qualitätsweizenanbau eigentlich weniger günstigen Standorten stabil hohe Erträge bringen kann und zudem eine gute Stoppelweizeneignung mitbringt. Auch wurde klar, dass die Leistung des Haupttriebes überdurchschnittlich hoch ist – daher werden bei dieser Sorte Saatstärken empfohlen, die 10–20 % über der ortsüblichen Stärke liegen. Hinsichtlich der Stickstoffdüngung ist zu berücksichtigen, dass auch durch eine (regelkonforme) geringere N-Düngung die A-Qualität nicht gefährdet wird.
- Internationale Exaktversuche: Zu diesen „hauseigenen“ Versuchen kommen internationale Exaktversuche. Das Versuchsdesign ist länderindividuell abgestimmt und es erfolgen enge Absprachen und Besichtigungen mit den Produktmanagern vor Ort.
- Landessortenversuche: Mit vielversprechenden Kandidaten (das gilt für alle Getreidearten) werden nach dem dritten Wertprüfungsjahr die Landessortenversuche bundesweit beschickt, mindestens aber in den Bundesländern, in denen die Vertriebsschwerpunkte liegen sollen.
- Regionale Exaktversuche: Es gibt zudem in den Regionen selbst namhafte Versuchsansteller (Handelshäuser, Beratungsringe etc.), die vielversprechendes Material unter Umständen schon vor der deutschen Zulassung in ihre Prüfsortimente aufnehmen. Auch diese Versuche liefern wertvolle Ergebnisse, denn hier stehen die Kandidaten neben regional bedeutenden und bekannten Sorten.
- Optimierung des Hybridgetreideanbaus: Für Hybridweizen wurde ein eigenes Prüfsystem gestartet, denn Hybriden „ticken“ anders als Liniensorten. Um herauszufinden, welche Saatstärke, Fruchtfolge- und Anbaustrategie für Hybriden die beste ist, braucht es eine separate Versuchsanstellung. Bei Hybridroggen laufen schon seit Jahren eigene Versuchsanstellungen in Zusammenarbeit mit der HYBRO GmbH.
- Düngungsversuche: Zunehmend wichtiger werden auch Fragestellungen vor dem Hintergrund der aktuellen Düngeverordnung. Daher beteiligt sich die SAATEN-UNION mit geeigneten Sorten an mehreren Versuchsprojekten, die u.a. die Erhöhung der Nährstoffeffizienz im Fokus haben.
Die Erfahrung der Vermehrerbetriebe ist wichtig
Damit nach der Sortenzulassung genug Z-Saatgut zur Verfügung steht, werden auf ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben die Stämme nach dem zweiten Wertprüfungsjahr vermehrt. Im Prinzip sind dies die ersten „echten“ Praxiserfahrungen, in denen sortenspezifisch verfahren wird. Das heißt, während in Sortenversuchen alle Sorten ja zur selben Zeit dieselbe Behandlung erhalten, wird hier das erste Mal dann agiert, wenn es für die Prüfsorte passt. Die Rückmeldungen von dort – auch über das Onlineportal SU BestSeed – sind also für das Produktmanagement sehr wichtig (www.bestseed.de).
Grundlage für die Anbauberatung: die Datenbank
Die produzierte Datenmenge wird in einer speziell entwickelten Datenbank ausgewertet. So lassen sich praxisbezogene, regional aussagekräftige Anbauempfehlungen ableiten. Nach der Sortenzulassung werden diese aufbereitet über die Vertriebsberater und dem Internet den Praktikern zur Verfügung gestellt. Dabei werden die Stärken der Sorten hervorgehoben, aber auch die bekannten Schwächen nicht verschwiegen und gezielte Anbauempfehlungen gegeben. Denn es schadet dem langfristigen Erfolg einer Sorte, würde man ihre „Knackpunkte“ nicht berücksichtigen und die Anbaustrategie nicht entsprechend anpassen.
Das Prüfsystem der SAATEN-UNION ist ungewöhnlich umfangreich – doch profitieren alle davon: Der landwirtschaftliche Betrieb, der früh verlässliche Anbauinformationen erhält, der Vertrieb, der zeitig abschätzen kann, für welche Märkte und Regionen sich die Sorte eignet und der Züchter, der diese Informationen in seine Arbeit integrieren kann.
Julia Dörrie