Zur Optimierung des Produktionssystems sind einerseits Innovationen im Bereich Technik, andererseits aber züchterische Aktivitäten zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit moderner Getreidesorten gefragt. Um die Vorteile und auch die Interaktion von Linien- bzw. Hybridsorte und Vereinzelungstechnik näher zu beleuchten, haben sich die Firmen Horsch Maschinen, HYBRO Saatzucht/SAATEN UNION und Hanse Agro Beratung und Entwicklung zu einem Gemeinschaftsversuch zusammengeschlossen.
So funktioniert die Vereinzelungssaat
Die Basismaschine mit dem Vereinzeler Singular-System ist mit dem Grundaufbau konventioneller Drilltechnik identisch: Die exakte Saatmenge wird mit dem Rotor in den Luftstrom des Gebläses dosiert und pneumatisch zum Verteiler transportiert. Im Verteilerturm wird das Saatgut gleichmäßig auf die einzelnen Schläuche verteilt und in Richtung Säschare geleitet. Soll nun das Saatgut vereinzelt werden, kommt der Kornvereinzeler (Funck Dosierer) zum Einsatz: Er sitzt auf dem Säschar und wird einzeln elektrisch angetrieben. An das Saatgut angepasste Taschen im Inneren nehmen jedes Korn gesondert auf und geben es in richtigem Abstand ins Fallrohr frei. Im Gegensatz zum herkömmlichen Säschar wird mit einer Kufe an der Unterseite der Säscheiben die Rille geformt und das Saatkorn darin abgelegt. Eine zusätzliche Fangrolle bremst das Saatgut sofort nach Verlassen der Kufe, um es in der richtigen Position zu halten. Mit dieser Technik kann aber ebenso nicht vereinzelt gedrillt werden.
Voraussetzung für den reibungslosen Ablauf der Saat ist sauberes und fraktioniertes Präzisionssaatgut. Mit der Schüttelbox erfolgt die Qualitätsüberprüfung des Saatguts und dessen Eignung für das System (s. Bild). Immer mehr Saatgutproduzenten bieten Präzisionssaatgut an.
Von der Vereinzelungstechnik wird eine homogenere Verteilung der Körner in der Reihe und eine dementsprechend bessere Entwicklung der Einzelpflanze erwartet. Diese soll die Standortfaktoren Strahlung, Wasser sowie Nährstoffe besser ausnutzen und in Ertrag umsetzen. Eine besser entwickelte Wurzel könnte bei Trockenheit zu Vorteilen gegenüber dem klassischen Saatverfahren führen.
Interessant vor allem bei Hybridgetreide
Der Wechsel von Linien- zu Hybridsorten ist bei den gängigen Getreidearten bisher unterschiedlich weit fortgeschritten. Beim Fremdbefruchter Winterroggen haben sich Hybriden mit Ausnahme von Grenzstandorten bereits seit über 25 Jahren auf breiter Front durchgesetzt. Bei Hybridweizen und Hybridgerste ist die ökonomische Überlegenheit der Hybriden dagegen nicht generell gegeben: Unter anderem, weil die Heterosis bei Selbstbefruchtern nicht so ausgeprägt ist wie bei Fremdbefruchtern und nicht zuletzt auch deshalb, weil die Mehrkosten bei Hybridgerste und Hybridweizen höher sind als bei Hybridroggen. Umso wichtiger ist es, die höhere Vitalität und Ertragsleistung der Hybrideinzelpflanzen im Hinblick auf geringere Saatstärken zu nutzen. Dafür wäre die Vereinzelungssaat ideal. Zum einen kommt es bei bestockenden und verzweigenden Fruchtarten nicht auf eine exakt definierte Einzelkornablage an, weil die Pflanzen eine unterschiedliche Raumzuteilung besser kompensieren können als beispielsweise Rüben oder Mais. Zum anderen lohnt sich die Vereinzelungssaat gerade bei Hybridgetreide, da bei den dort vorherrschenden Dünnsaaten eine vergleichbare Flächenleistung wie bei herkömmlicher Drilltechnik möglich ist.
Versuchsstandort und -aufbau
Die Gemeinschaftsversuche standen auf Praxisschlägen im Landkreis Uelzen, einer typischen Beregnungsregion. Bei 30–35 Bodenpunkten liegen häufig Bedingungen vor, die von den Getreidesorten eine hohe Stressverträglichkeit erfordern. In beiden Kulturarten wurden zwei Sorten verglichen. Bei Winterroggen waren dies zwei Hybridsorten unterschiedlicher Vitalität, bei Weizen wurde eine Hybrid- einer Liniensorte gegenübergestellt. Alle Versuchsvarianten wurden mit derselben Maschine gedrillt, bei der der Dosierer für die Vereinzelung entsprechend zu und abgeschaltet wurde. Um die technischen Anforderungen an das Saatgut abzuprüfen, wurden neben den beiden Saatverfahren auch unterschiedliche Korngrößenfraktionen gesät.
Die Beerntung der Exaktversuche erfolgte mit Kleinparzellentechnik. Neben den typischen Ertragsparametern wurden auch die Entwicklung der Einzelpflanze und die Güte der Standraumverteilung erfasst.
Standraumverteilung vor allem bei Weizen deutlich verbessert
Als Messgröße für die Güte der Vereinzelung wurde der Variationskoeffizient (VK) berechnet. Der VK erreicht Dimensionen von 0–100, wobei ein Wert von 0 bedeutet, dass alle Pflanzen einen vollständig einheitlichen Abstand in der Reihe haben.
Die vereinzelte Drillsaat brachte eine signifikant bessere Standraumverteilung als die konventionelle Saat. Im Roggen verbesserten sich die VKs von 92–100 % auf Werte zwischen 66–79 % in der Vorvereinzelung. Die Ergebnisse zum Weizen sind in der Abb. 1 dargestellt. Hier konnten VKs von bis zu 57 % erreicht werden. Dass die Vorvereinzelung beim Weizen technisch einfacher ist, liegt an dem runderen Korn.
Höhere Erträge durch Vereinzelungssaat bei Hybridweizen
Die Ertragsergebnisse sind in der Abb. 2 für Weizen dargestellt. Die Liniensorte Nordkap reagierte auf die neue Technik bei um 20 % reduzierter Saatstärke mit einem um 1–4 % verringerten Ertrag. Der Hybridweizen Hybery wies hingegen in beiden Versuchsjahren einen erhöhten Ertrag in der vereinzelten Variante auf. Dies war zur Ernte 2016 mit plus 13 % sogar statistisch signifikant. „Man sieht den Ertragseffekt dort, wo auch die Vereinzelung besser funktioniert hat“, erläutert so Etienne de Saint Laumer von Horsch. So wies die Sorte Hybery durchgängig geringere Variationskoeffizienten auf. Die Technik ist hier auf besonders gleichmäßig große Körner angewiesen, was zusätzliche Siebungen erfordert.
Dass die Vereinzelungssaat bei der Hybridsorte zur Ernte 2017 nicht ganz den durchschlagenden Effekt hatte wie 2016, dürfte in der um zwei Wochen verspäteten Aussaat (13.10.2016) begründet sein. Zieht man einen Sortenvergleich innerhalb des Systems konventioneller Drillsaat, fällt Hybery gegenüber Nordkap um 3 bzw. 6 % ab. Zur Ernte 2017, als aufgrund der späteren Aussaat die Kompensation der Triebdichte in der Hybridsorte zu spät ablief, war die Sorte Nordkap signifikant besser. Eine Verringerung der Saatstärke um annähernd 50 % birgt somit auch ein gewisses Risiko bzw. setzt optimale Bestockungsbedingungen im Kurztag und somit eine zeitige Saat voraus.
Im Roggen wurden die beiden Hybridsorten SU Cossani und SU Performer verglichen. In den vorvereinzelten Varianten wurde, wie im Weizen, die Saatstärke auf 80 % reduziert. Die Erträge in den vorvereinzelten Varianten lagen zwar immer unterhalb der konventionellen Drillsaat, statistisch absicherbar war dieser Unterschied jedoch nicht. Ursache war die schlechtere Qualität der Vereinzelung – beim Weizen konnte durch die neue Technik ein um 10 % homogenerer Abstand der Pflanzen in der Reihe erreicht werden als beim Roggen. Somit kompensierte der Roggen die verringerte Saatstärke nicht ausreichend durch die bessere Standraumverteilung (Daten nicht dargestellt). Welche Reduzierung der Saatmenge für die Aussaat mit Vereinzelung optimal ist, gilt es in weiteren Versuchen zu klären.
Ausblick
Neben ersten Ergebnissen resultierten aus den durchgeführten Versuchen einige offene Fragen:
- Würde man bei der Sorte Nordkap ebenfalls eine Ertragssteigerung erzielen, wenn dieselbe Standraumverteilung (Variationskoeffizient) wie bei Hybery erreicht wird?
- Wie reagieren andere Sorten und inwieweit spielen die ertragsbildenden Eigenschaften (Bestandesdichte, Einzelähre, TKM) eine Rolle?
- Ein entscheidender Faktor ist die Saatstärke in Verbindung mit der Saatzeit. Welche Parameter müssen zur Auswahl der optimalen Saatmenge beim jeweiligen Saatzeitpunkt berücksichtigt werden?
- Neben der Ausschöpfung der technischen Verbesserungspotenziale sollen weitere Versuche folgen.
Und es geht weiter:
Um diesen Fragen weiter auf den Grund zu gehen, werden die Versuche um den Faktor Saatstärke erweitert. Auch haben wir zur Aussaat 2017 auf mehreren Betrieben in Norddeutschland Großflächenversuche mit Weizen und Roggen angelegt. Organisiert und finanziert wird dieses Projekt mit dem Arbeitstitel „HySeed-Pronto“ gemeinsam von der Hanse Agro Beratung und Entwicklung, Horsch Maschinen und der Hybro Saatzucht/SAATEN-UNION. Diese Projekte können dazu beitragen, die eingangs erwähnten ackerbaulichen Stellschrauben des Produktionsverfahrens Getreide bereits mit der Aussaat zu verändern.
Anna Schwinger (Hanse Agro), Mitautoren: Etienne de Saint Laumer (Horsch) und Sven Böse (SAATEN-UNION)
Die beteiligten Firmen: |
Horsch: Die Horsch Maschinenring GmbH wurde 1884 in Schwandorf (Bayern) gegründet. Das Familienunternehmen verfügt mittlerweile über 8 Standorte, unter anderem auch in den USA, Frankreich und Großbritannien. www.horsch.com |
HYBRO Saatzucht: Die HYBRO Saatzucht GmbH & Co. KG ist eines der führenden Saatzuchtunternehmen in der Züchtung von Hybrid- und Populationsroggen in Deutschland und Europa. Die Zuchtstationen befinden sich in der Lüneburger Heide und in der Uckermark. Die Sortenprüfung findet an zahlreichen Prüfstandorten im In- und Ausland statt. www.hybro.de |
Hanse Agro: Die Hanse Agro ist ein unabhängiges privates Beratungsunternehmen. Sie berät bundesweit und in europäischen Nachbarländern landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen in den Bereichen Pflanzenbau und Betriebswirtschaft. www.hanse-agro.de |