praxisnah: Herr Zellner, die Versuchsstation Moosburg gibt es seit mehr als 25 Jahren. Warum ausgerechnet Moosburg?
Franz-Xaver Zellner: „Diese Versuchsstation gehört zur SAATEN-UNION, die wiederum eine Vertriebsgesellschaft für sieben mittelständische Pflanzenzüchter ist. Diese sieben Gesellschafter waren in den 80er Jahren immer Partner der legendären Schlüterfeldtage. Die Kombination von Pflanzenbau und Großtechnik funktionierte damals sehr gut und tut es immer noch hervorragend. Das Unternehmen Schlüter stellte die Produktion von Großschleppern dann Anfang der 90er Jahre ein. Diese Entwicklung zeichnete sich schon vorher ab und es war klar: Wir brauchen eine Alternative – ein Demonstrationsfeld und auch einen Standort zur Sortenprüfung. Da es hier in Bayern schon einen kleineren Prüfstandort eines Gesellschafters gab und in der Region um Moosburg die Voraussetzungen für Versuche optimal sind – gleichmäßige Niederschlagsverteilung, homogene Böden usw. – wurden zunächst 28 Hektar Land und eine Maschinenhalle angepachtet.“
Kombination von Prüfung und Demonstration für die Praxis – ist dieses Prinzip bis heute unverändert?
Zellner: „Prinzipiell schon: Wir testen unterschiedlichste Fragestellungen und das, was wir in den Versuchen verifizieren, können wir den Landwirten gleich im Feld demonstrieren. Aber das Prüfwesen ist viel komplexer und umfangreicher geworden: Aktuell haben wir die Versuchsparzellen in ca. 380 ha Ackerland integriert.“
Pflegen Sie nach wie vor den direkten Kontakt mit der Praxis?
Zellner: „Ja, das ist uns extrem wichtig! Traditionell findet im Juni ein Feldtag statt, aber es kommen die ganze Vegetation über Gruppen zu uns: Händler mit ihren Mitarbeitern zu Schulungszwecken, amtliche Berater kommen mehrmals im Jahr und selbst das Bundessortenamt hat hier schon Schulungen durchgeführt!“
Was untersuchen Sie hier zurzeit genau? Nennen Sie bitte Beispiele!
Zellner: „Ich nenne mal Beispiele aus sehr verschiedenen Bereichen, damit die Bandbreite unserer Arbeit deutlicher wird. Zunächst ein Forschungsprojekt: Im Projekt „Senselgo“, das von der Universität in Hohenheim geleitet wird, sind wir Partner für die Umsetzung – wir koordinieren also die Versuche vor Ort und werten sie aus. Wir vertreten hier die Gesellschafter der SAATEN-UNION. Daneben ist die Hochschule Osnabrück Partner für die Sensorik und die Entwicklung der Technologie ebenso wie der Landtechnikhändler Zürn mit seinen speziellen Trägerfahrzeugen mit im Boot. Das Ziel ist es, auf technischem Wege unterschiedliche Zustände der Pflanzenbestände objektiv zu beschreiben. Wenn der Blühbeginn von Winterraps z. B. definiert wird als 15 % Gelbanteil im Bestand, kann selbst ein sehr erfahrener Mensch das mit bloßem Auge nicht wirklich objektiv schätzen. Eine mit Software ausgestattete Drohne arbeitet dagegen objektiv und liefert so verlässliche Daten.
Oder nehmen wir die Ermittlung der Pflanzenlänge im Mais: Da sind viele Menschen ohne Technik lange damit beschäftigt, die durchschnittliche Pflanzenlänge zu ermitteln. Mit Technik geht das erheblich schneller. Züchtung wird mit solchen Messverfahren also schneller, genauer, effektiver und sicherer. Unser qualifiziertes Personal kann man besser für anspruchsvollere Arbeiten einsetzen. Als Beispiele, die dichter an der Praxis sind, wären die produktionstechnischen Versuche mit einem breiten Portfolio an Sorten zu nennen. In Deutschland und in den benachbarten Ländern arbeiten wir dazu mit professionellen Partnern wie z.B. dem DLG-Versuchszentrum in Bernburg zusammen. Aus all diesen Versuchen werden für eine Sorte – oft schon vor deren Zulassung – optimierte Produktionsstrategien abgeleitet. Auch das Düngestrategieprojekt 2022 in Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HWST) und verschiedenen Düngemittelproduzenten ist ein praxisnahes Projekt.“
Alles Themen, die auch den „normalen“ Landwirt interessieren dürften!
Zellner: „Wir arbeiten ja nicht nur für „unsere“ Züchter, sondern auch für die Praxis. Unsere Ergebnisse sind für Praktiker so interessant, weil sie sich direkt in die eigene Arbeit integrieren lassen. Wir klären in diesen Versuchen auch aktuelle Fragestellungen ab, die sich z. B. aus der novellierten Düngeverordnung oder der veränderten Situation auf dem Pflanzenschutzmittelmarkt ergeben.“
Also beeinflusst auch die Agrarpolitik Ihre Arbeit?
Zellner: „Auf jeden Fall! Wir versuchen, so viel wie möglich im Vorfeld abzuklären, denn die Ergebnisse müssen auch in der züchterischen Arbeit Berücksichtigung finden und Züchtung braucht ihre Zeit. Wir versuchen also, sehr weitblickend zu agieren.“
Das klingt alles nach sehr viel Aufwand. Können Sie uns diesen mit Zahlen begreifbar machen?
Zellner: „Wir haben zzt. etwa 50.000 Versuchsparzellen. Die Bodenbearbeitung der Fläche wird von einem Lohnunternehmer durchgeführt, jede Parzelle muss dann aber von uns mit spezieller Versuchstechnik ausgesät, bearbeitet und beerntet werden. Im Schnitt investieren wir für eine Parzelle 30 Minuten Arbeitszeit. Das schwankt jedoch ganz erheblich – Leistungsprüfungen sind weniger aufwändig als Pflanzenschutz-Zulassungsversuche nach GEP-Standard.“
Überprüfen Sie die Ergebnisse denn auch auf Praxisbetrieben?
Zellner: „Den Übergang vom Exaktversuch zum Praxisbetrieb bilden die Großparzellenversuche. In der „realen“ Praxis gibt es zwei Gruppen von Betrieben: Zunächst unsere Mitarbeiter, deren Familien oft noch Landwirtschaft betreiben, und von denen wir dann auch sehr direktes Feedback bekommen. Für mich ist es die größte Freude, wenn Mitarbeiter Sorten aus den Versuchen gleich zu Hause ausprobieren wollen. Und dann sind da die landwirtschaftlichen Betriebe unserer Gesellschafter: Alle Züchter der SAATEN-UNION sind auch Landwirte bzw. sind Betreiber landwirtschaftlicher Unternehmen. Und die sind über ganz Deutschland verteilt: Von der Ostseeküste bis Bayern, von West nach Ost ist alles dabei!“
Können Sie für uns kurz die Funktion der Versuchsstation zusammenfassen?
Zellner: „Letztlich sollen fast alle Versuche ermitteln, wie man das genetische Potenzial von Sorten – also den Zuchtfortschritt – optimal nutzen kann. Oder auch, wie man Ressourcen bestmöglich einsetzen kann. Im Prinzip sind wir bzw. bauen wir eine Brücke zwischen Forschung und Praxis.“
Herr Zellner, vielen Dank für das Gespräch.
Das Gespräch führte Dr. Anke Boenisch.
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