Abseits der politischen Diskussion ist ein pflanzenbauliches Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen des Glyphosateinsatzes notwendig.
Wo macht Glyphosat Sinn …
Glyphosat ist als nicht-selektives Herbizid in der Lage, pflanzlichen Aufwuchs durch Hemmung des Shikimisäureweges, und folgend die Synthese bestimmter essenzieller Aminosäuren und anderer Pflanzenmetaboliten, abzutöten. Da alle in der Landwirtschaft vorkommenden Pflanzen diesen Syntheseweg aufweisen, findet bei fachgerechtem Gebrauch keine Selektion statt. Auch die gegen selektive Wirkstoffe bereits resistenten Pflanzen werden sicher erfasst. Zudem ermöglicht der Wirkstoff die einfache Anwendung konservierender Bodenbearbeitungsverfahren, wie sie insbesondere in Hanglagen notwendig sind. Ohne nicht-selektive Herbizide müssen Ungräser und Unkräuter mit ausgeprägten Speicherorganen (Quecken, Disteln) über eine intensive mechanische Bearbeitung bekämpft werden, wodurch sich aber das Erosionsrisiko erhöht.
… und wo nicht?
In vielen Fällen ist Glyphosat aber nicht sinnvoll, da es keinen vollwertigen Ersatz für die Bodenbearbeitung darstellt. Zwar lässt sich durch die Beseitigung des Aufwuchses indirekt Wasser sparen (reduzierte Transpiration) und kurzfristig Mäusen und Schnecken die Nahrungsgrundlage entziehen, physikalische Effekte sind aber kaum zu erwarten. Für eine gute Feldhygiene bleibt die Bodenbearbeitung daher essenziell. Auch die Brechung der Kapillarität zur Wassereinsparung lässt sich nur durch mechanische Bearbeitung erreichen, ebenso wie die Förderung der Strohrotte zur Reduktion des Inokulumpotenzials von Schadpilzen, sowie die Anregung zur Keimung von Ausfallsamen und Schadpflanzen.
Jetzt anfangen, Erfahrungen zu sammeln
Bereits jetzt sollte – zumindest auf kleiner Fläche – probiert werden, auf Glyphosat zu verzichten, um Erfahrungen zu sammeln und alternative Strategien zu entwickeln. Dreh- und Angelpunkt ist eine angepasste, erweiterte Fruchtfolge mit häufigem Wechsel von Blatt- und Halmfrüchten, sowie von Sommer- und Winterungen. Dies schafft Zeiträume für mehr Bodenbearbeitung und damit für die Bekämpfung von Unkräutern und Ungräsern vor der Aussaat.
Bodenbearbeitung ohne Glyphosat
I Weizen nach Raps: Ausfallraps bekämpfen
Folgt Weizen nach Raps steht ein relativ langer Zeitraum zur Bodenbearbeitung zur Verfügung, den man zur Bekämpfung des Ausfallrapses nutzen sollte.
Bisher – mit Glyphosat – ist vielerorts ein erster Arbeitsgang mit einem Grubber oder einer Kurzscheibenegge üblich, nachdem ein Teil der Samen aufgelaufen ist. Dabei wird oft der Fehler gemacht, die Fläche richtig „schwarz“ zu hinterlassen. Damit werden Samen jedoch tief in den Boden eingearbeitet und über Jahre konserviert! Mit einigem zeitlichen Abstand folgt dann der Einsatz von Glyphosat und im Anschluss die Grundbodenbearbeitung und die Aussaat.
Ohne Totalherbizid bietet sich beispielsweise folgende Arbeitsfolge an: Zuerst wird der Bestand zwei- bis dreimal gestriegelt oder alternativ einmal gemulcht (s. Abb. 1). So kann sichergestellt werden, dass alle Schoten geöffnet und der Großteil der Samen zur Keimung angeregt werden. Letztere werden im Anschluss durch einen zwei bis drei Zentimeter tiefen, ganzflächig schneidenden Arbeitsgang entfernt, sobald zwei Laubblätter je Pflanze ausgebildet sind. Durch den flachen Arbeitsgang lässt sich die grüne Brücke wirkungsvoll unterbinden und es werden keine Samen in tiefere Schichten vergraben (s. auch Exkurs). Dies ist besonders wichtig, da die Samen aufgrund der sekundären Dormanz für Jahrzehnte im Boden überdauern können.
Kurz vor der Aussaat erfolgt dann ein weiterer Bodenbearbeitungsschritt mit einer maximalen Arbeitstiefe von fünf bis sieben Zentimetern. Voraussetzung hierfür ist, dass keine Schadverdichtungen auf der Fläche vorhanden sind. Nasse Jahre zeigen also die Grenzen dieses Systems auf.
Muss aufgrund schwieriger Erntebedingungen und damit einhergehend schlechter Bodenstruktur tiefer gelockert werden, empfiehlt sich der Einsatz von lockernden, aber kaum mischenden Scharen.
Diese werden von den gängigen Herstellern in der Regel unter der Bezeichnung „low disturbance“ (frei übersetzt: geringe Störung) vertrieben.
Bodenbearbeitung ohne Glyphosat
II Raps nach Getreide: Ackerfuchsschwanz ohne Glyphosat bekämpfen
Folgt Raps nach Getreide, ist der zur Verfügung stehende Zeitraum für Bodenbearbeitung je nach Region und Vorfrucht unterschiedlich. Insbesondere in den norddeutschen Küstengebieten sowie bei spät abreifenden Sorten kann die Zeitspanne bis zur neuen Aussaat sehr knapp ausfallen. Dann kommt die altbekannte „Rum und rein“-Methode mit Pflugeinsatz infrage.
Bei Problemen mit resistentem Ackerfuchsschwanz oder Durchwuchsraps bietet sich – wenn Glyphosat eingesetzt werden soll bzw. kann – das Verfahren der Scheinbestellung an. Für gewöhnlich wird dazu mindestens drei Wochen vor der eigentlichen Aussaat ein saatfertiger Acker hergestellt. Die dann auflaufenden Unkräuter und Ungräser werden im Anschluss kurz vor oder nach der Saat mit Glyphosat behandelt. Die Saat wird nur leicht in den Boden eingeschlitzt, möglichst ohne viel Boden zu verschütten, sodass keine neue Welle an Schadpflanzen aufläuft. Ohne Glyphosat ist dies nicht möglich! Aber auch ohne Glyphosat ist Ackerfuchsschwanz bekämpfbar (Abb. 2)! Zuerst ist ein vier bis sechs Zentimeter tiefer Arbeitsgang kurz nach der Ernte sinnvoll, um die Strohrotte zu fördern und ausgefallene Körner zum Keimen anzuregen.
EXKURS Kurzscheibeneggen eignen sich für eine 2–3 cm flache Bearbeitung in der Regel nicht, da ihre Fähigkeit zur Bodenanpassung eingeschränkt ist. Spätestens während der Ernte entstehen immer Bodenunebenheiten durch Fahrspuren. Möchte man mit einer Scheibenegge nicht tiefer als drei Zentimeter arbeiten, bleiben diese Teilbereiche oft unbearbeitet zurück. Die Alternative ist noch schlechter: Das Arbeitsgerät wird so tief eingestellt, dass Teilflächen acht bis zehn Zentimeter tief bearbeitet werden, was zum Vergraben von Samen führt. |
Beim nächsten Arbeitsgang kann dann bereits auf sechs bis acht Zentimeter Tiefe gearbeitet werden. Dies ist erforderlich, um eine gleichmäßige Stroheinmischung zu gewährleisten. Es folgt die Grundbodenbearbeitung per Grubber. Hat sich der Boden gesetzt, was häufig drei Wochen dauert, wird unmittelbar vor der Aussaat ein letzter flacher, ganzflächig schneidender Arbeitsgang durchgeführt. Die eigentliche Aussaat kann dann als Einzelkornsaat mit angepasster Saatstärke erfolgen. Somit ist ein späteres Hacken möglich, mit dem nicht nur resistenter Ackerfuchsschwanz, sondern auch Durchwuchsraps bekämpft werden kann.
Ohne resistenten Ackerfuchsschwanz oder Altraps können Grundbodenbearbeitung und Aussaat zeitnah beziehungsweise zeitgleich erfolgen, wodurch zum einen die Bodenfeuchte gut ausgenutzt und zum anderen die letzte flache Bearbeitung eingespart werden kann. Auch minimiert sich so die Gefahr nicht gegebener Befahrbarkeit durch Starkregen nach erfolgter Grundbodenbearbeitung.
Bodenbearbeitung ohne Glyphosat
III Zuckerrüben/Mais nach Zwischenfrucht
Restriktive Greening-Vorgaben limitieren ohnehin die Zusammensetzung von Zwischenfruchtmischungen und die Terminierung der Bodenbearbeitung. Ohne Glyphosat wird der Anbau von Zwischenfrüchten weiter erschwert, aber nicht unmöglich gemacht.
Zwar kann die Grundbodenbearbeitung wie bisher üblich weiterhin vor der Aussaat der Zwischenfrucht erfolgen (Abb. 3). Ohne nicht-selektives Herbizid ist das Abtöten der Zwischenfrucht schwieriger zu erreichen. Grundsätzlich sind gute, vitale Zwischenfruchtbestände (z.B. mit Nematoden bekämpfenden Senf- und Ölrettichsorten) in der Lage, Schadpflanzen gut zu unterdrücken. Je nach Jahr und Zeit kann aber Durchwuchsgetreide oder Ausfallraps zum Problem werden.
Das Abtöten von Zwischenfrüchten kann zum Beispiel bei durch Frost gegebener Befahrbarkeit mittels Mulcher oder Walze in der vegetationslosen Zeit geschehen. Greeningkonform ist dies erst nach dem 15. Februar. Vor der Aussaat muss dann ein flacher, ganzflächig schneidender Bearbeitungsgang erfolgen.
Konsequenzen bei sehr eingeschränktem Glyphosateinsatz
Die gute Nachricht: Bei weiteren Einschränkungen des Glyphosateinsatzes geht nicht gleich die ackerbauliche Welt unter! Die schlechte Nachricht: Es wird einerseits aufwändiger, andererseits sind bestimmte Anbauverfahren u.U. nicht mehr möglich! Konservierende, vor Erosion schützende Anbauverfahren werden auf die Probe gestellt, die Anforderungen an die Bodenbearbeitungsgeräte wachsen. Viele zurzeit am Markt erhältliche Geräte erfüllen die neuen Anforderungen noch nicht und die Hersteller arbeiten mit Hochdruck an Neuerungen. Besonders in nassen Jahren wie 2017 wird es schwierig: Bei anhaltender Bodenfeuchtigkeit wachsen Schadpflanzen häufig wieder an und die Bekämpfung von Wurzelunkräutern wird aufwendiger. Die hierfür, neben Glyphosat, effektivsten Wirkstoffe sind in Deutschland nicht mehr zugelassen oder stehen auf der „Abschussliste“.
Ausblick
Der konventionelle Ackerbau wird sich nicht-chemischen Systemen in Zukunft wieder mehr nähern müssen. Ackerbauliche Probleme können nicht mehr kurzfristig mit passenden Pflanzenschutzmitteln „gelöst“ werden, sondern es braucht einen ganzheitlichen, fruchtfolgeübergreifenden Ansatz, um solche erst gar nicht bedeutsam werden zulassen.
„Auf vielen Flächen wird es eine Gratwanderung sein, ob eine intensivere mechanische Bearbeitung eher Probleme mit Ungräsern und Unkräutern löst oder zusätzliche Probleme durch Abschwemmung und Erosion schafft.“ (Prof. Dr. Ilgen, HTW Dresden, DLG Sonderheft 2017)
Helge Schirmer und Detlev Dölger
Links zu themenrelevanten Beiträgen (Stand 5. Juli 2018), Achtung: Es kann passieren, dass diese Links im Laufe der Monate und Jahre ihre Gültigkeit verlieren.