Der betriebliche Ansatz der Agrargenossenschaft ist nicht nur ein ökonomischer, sondern auch ein ideeller. Die Betriebsstruktur ist darauf ausgerichtet, die Region Osterzgebirge wirtschaftlich zu fördern, möglichst umwelt- und tierschonend zu arbeiten, energetisch weitgehend autark zu sein. Das Unternehmen beteiligt sich daher an Agrarumweltmaßnahmen und setzt auf allen Flächen konservierende Bodenbearbeitung ein. Die in den drei Biogasanlagen (500, 75, 75 kW), der Solaranlage und den Windkraftanlagen erzeugte Energie versorgt das gesamte Unternehmen (8-fach) und wird ins öffentliche Netz eingespeist.
Der Betrieb: Region: Mittelsachen/Osterzgebirge |
Auf der ca. 1.100 ha großen Ackerfläche wird seit 1994 pfluglos gewirtschaftet. Die Verarbeitung des auf ca. 220 ha angebauten Rapses erfolgt auf zwei unterschiedlichen Wegen: Der größere Teil wird in einer eigenen Mühle gepresst und das gewonnene Öl dient als Kraftstoff für die Traktoren oder als Stützfeuerung für ein BKHW der Biogasanlage. Ein weiterer Teil wird in der kleinen hofeigenen Ölmühle zu Speiseöl für die Direktvermarktung veredelt. Auch Leindotter und Öllein dienen der Speiseölgewinnung. Diese Spezialöle werden ebenfalls im eigenen Hofladen verkauft oder finden in Süddeutschland Abnehmer. Auf 40 ha findet Pflanzkartoffelvermehrung statt und auf etwa 10 ha werden Speisekartoffeln für die Direktvermarktung angebaut.
Mais – zu schade für die Betonkuh
Maisanbau ist, aufgrund des unsicheren Ertrages in dieser Höhenlage nur auf 60–80 ha bis zu einer Höhenlage von gut 600 Meter möglich und wird ausnahmslos verfüttert. Mais – in vielen Biogasbetrieben die dominante Kultur – ist hier also ein besonders knappes und daher wertvolles Gut. Logischerweise landet nichts davon in einer der drei Biogasanlagen – diese laufen mit Gülle, Grassilagen, Restfutter und Getreide.
hl-Gewicht immer noch wichtigstes Vermarktungskriterium
Sommergerste wird in der Bergland Clausitz e.G. als eine hervorragende Vorfrucht für Raps geschätzt, während der Sommerhafer möglichst vor den Kartoffeln platziert oder als Deckfrucht für Ackerfutter eingesetzt wird. Verfüttert wird der Hafer jedoch in der Regel nicht, sondern geht als Qualitäts- oder Industriehafer in den freien Handel.
„Bei der Sortenwahl ist es mir sehr wichtig, ein hohes Hektoliter-Gewicht zu erreichen. Das funktioniert am besten, wenn Lager vermieden wird. Standfestigkeit ist neben dem Potenzial für ein sicheres und hohes Hektolitergewicht daher bei der Sortenwahl für mich ein wichtiges Kriterium“, erläutert Ehrler. Zwar wünsche er sich natürlich ebenso eine gute Gesundheit, eine Fungizidmaßnahme sei aber ohnehin Standard. In den letzten Jahren hat er aufgrund dieser Entscheidungskriterien unter anderem die Sorte Ivory im Anbau und damit auch in schwierigeren Jahren gute Erfahrungen gemacht.
Hafer ist viel genügsamer als Sommergerste
„Was ich am Hafer neben seinem Vorfruchtwert besonders schätze, ist der geringe Produktionsaufwand – besonders, wenn man den Hafer mit der Sommergerste vergleicht.“ Da Sommergerste insgesamt Fehler weniger verzeihe als der Hafer, habe diese beim Saattermin unbedingt Vorrang.
„Der Hafer kommt daher dann je nach Witterung Anfang bis Mitte April in den Boden. Dabei habe ich die Aussaatstärke in den Jahren etwas zurückgenommen, um der einzelnen Pflanze mehr Raum zu geben. 325 keimfähige Körner/m² bringen Erträge von durchschnittlich ca. 70 dt/ha. Eine einmalige Güllegabe von 40 m³/ha vor der Saat, einmal Fungizid und ggf. Wachstumsregler reichen meistens aus.“ Nur ein Problem gebe es – Flughafer. „Wenn man die Problemstandorte genau kennt, funktioniert eine Bekämpfung in der Folgefrucht wie Öllein oder Kartoffeln sehr gut. Auch der Glyphosateinsatz nach dem Ackerfutter hilft, das Problemgras unter Kontrolle zu halten. Komplett beseitigen lässt es sich aber selbst damit nicht.“
Vermarktung ist ein Knackpunkt
Marcus Ehrler bezeichnet sich selbst als „Haferfan“ und möchte auf keinen Fall auf diese Kultur verzichten. Er schätzt nicht nur den hervorragenden Vorfruchtwert und den geringen Produktionsaufwand bei dieser Sommerung, sondern mindestens genauso das Entzerren der Erntespitzen. Hätte er nur die Sommergerste, müssten 260 Hektar Anfang August quasi zeitgleich vom Feld. Durch den Hafer, erstreckt sich dieser Erntezeitraum bis Ende August. Hafer – ein Stresskiller.
Aber jede Kultur muss natürlich einer betrieblichen Kalkulation standhalten. Oder mit anderen Worten: Die innerbetriebliche Wettbewerbsfähigkeit des Hafers hängt vor allem an einer erfolgreichen Vermarktung. Bisher hat Ehrler keine Vermarktung über Vorverträge o. ä. angestrebt, sondern nach der Ernte eingelagert und alles Weitere von der Qualität und den aktuellen Marktgegebenheiten abhängig gemacht. Mit einem konstant hohen hl-Gewicht bei der Sorte Ivory, die auch ausreichend standfest ist, sowie ausreichend hohen Preisen hat das meist gut geklappt.
„Zurzeit ist der Haferpreis leider sehr schlecht und ökonomisch wird es jetzt für diese tolle Kultur bei uns eng“, bedauert er. „Ich fände es extrem schade, wenn ich auf den Hafer verzichten müsste. Wir haben hier ideale Bedingungen, um Höchsterträge und gute Qualitäten zu realisieren – und das bei einem sehr geringen Produktionsaufwand. Auch die Ernteentzerrung weiß ich sehr zu schätzen.“
Hafer bekommt auch in Zukunft eine Chance
Der Hafer muss sich in Zukunft auf diesem Betrieb nicht nur mit der Sommergerste, sondern auch mit dem Öllein messen. „Wir werden den Markt weiterhin sehr genau beobachten und die Option Hafer jährlich neu prüfen, damit uns diese wertvolle Kultur nicht verloren geht. Es wird vermutlich nicht leicht werden, den Hafer zu dem von uns benötigten Preis an den Markt zu bringen."
Das Gespräch führten Dr. Anke Boenisch und Tobias Weiske
Das meint der Haferzüchter.... |
Qualität ist mehr als nur Hektolitergewicht Die Kornqualität von Hafer darf nicht nur an der Höhe des Hektoliter(hl)gewichtes gemessen werden. Die Hafermühlen im Verband der deutschen Getreideverarbeiter und Stärkehersteller gewichten andere Merkmale wie Schälrate, Spelzengehalt und Sortierung deutlich höher. Außerdem gibt es in einem weiten Bereich mittlerer Ausprägung erwiesenermaßen keinen Zusammenhang zwischen dem hl-Gewicht und diesen wichtigeren Qualitätsmerkmalen. Das wichtigste Qualitätsmerkmal in der Schälmüllerei ist mittlerweile die Schälrate. Sie gibt an, wie leicht sich bei einer Haferpartie die Spelze vom Haferkern trennen lässt und wird vom Bunddessortenamt in der Wertprüfung als Anteil nicht entspelzter Körner gemessen. Die Bewertung einer Haferpartie allein nach dem hl-Gewicht wird daher den komplexen Anforderungen an ihre Schälfähigkeit nicht gerecht. Dies führt möglicherweise zu falschen Schlussfolgerungen und anschließend zu technologischen Störungen des Schälprozesses sowie zu einer verminderten Ausbeute. Es ist daher dringend erforderlich, die Messwerte und Empfehlungen zum hl-Gewicht bei Hafer anzupassen und hier keine überzogenen Anforderungen mehr zu stellen.
Dr. Steffen Beuch, Saatzuchtleiter Hafer, Nordsaat Saatzucht GmbH |