Späte Ertragszuwächse im Winterraps lassen sich häufig mit der besseren Abreife des Strohs erklären. Die Stängelfeuchte nimmt ab und die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass Rapskörner mit dem Stroh verkleben und wieder auf das Feld gelangen. Zudem nimmt die Druschfähigkeit zu und die Schüttlertätigkeit des Mähdreschers wird verbessert (Abb. 1). Demgegenüber stehen die Vorernteverluste, die immer wieder Grund zu Diskussionen bieten.
Die Feldversuche des RAPOOL-RINGs zum Thema Rapsernte am Standort Hohenlieth (Schleswig-Holstein) starteten 2013 und wurden seitdem immer weiter entwickelt. Ihr Ziel ist es, den Einfluss des Erntezeitpunktes auf den Realertrag zu ermitteln und auch die sortenspezifischen Unterschiede bei der Bestimmung des optimalen Erntezeitpunktes darzustellen.
Einzelheiten zum Versuchsaufbau
Die Versuche wurden im Design eines voll randomisierten Blockversuchs mit Kerndruschparzellen und zwei Ernteterminen etabliert. Im ersten Versuchsjahr (2013/14) wurden vorwiegend drei Verlustquellen bei der Mähdruschernte von Winterraps untersucht: Vorernteverluste, Schneidwerkverluste und Dreschwerkverluste. Im zweiten Jahr (2014/15) lag das Augenmerk insbesondere auf dem Reifeverhalten der Rapssorten. So wurden zu zwei Ernteterminen Stroh- und Spreuproben gezogen und auf Feuchtegehalt untersucht. Dazu wurden die Proben direkt nach dem Dreschen gewogen, anschließend getrocknet und der Feuchtigkeitsgehalt bestimmt.
Verzögerte Ernte: höhere Erträge trotz höherer Vorernteverluste
Der Vergleich beider Druschzeitpunkte zeigte, dass die Vorernteverluste des ersten, ortsüblichen Erntetermins im Vergleich zum zweiten Termin signifikant kleiner waren. Die Vorernteverluste erreichten zum ersten Druschzeitpunkt durchschnittlich einen Wert von 19 kg/ha in 2013/14 bzw. von 6 kg/ha in 2014/2015. Bis zum zweiten, späteren Termin erhöhten sich die Vorernteverluste auf ca. 132 kg/ha (2013/14) bzw. 22 kg/ha (2014/15). Allerdings stellte sich auch heraus, dass die technischen Verluste (bis zu 4 dt/ha) durch das Schneidwerk weitaus höher waren als die Ausfall- bzw. Vorernteverluste. Damit lag der wesentliche Ansatzpunkt zur Reduzierung von Körnerverlusten bei der Ernte selbst. Diese konnten durch den späteren Erntezeitpunkt und z. B. durch Maschineneinstellung minimiert werden. Die Auswertung der Erträge beider Versuchsjahre ergab, dass der zweite überständige Erntetermin mehr Ertrag erbrachte. Je nach Sorte zeigte sich dieser Effekt mal stärker, mal schwächer ausgeprägt (siehe Abb. 2), war aber bei knapp 90 % aller Sorten vorhanden. Im Jahr 2014 wurden so zum zweiten Erntetermin im Durchschnitt 2,72 dt/ha und in 2015 ca. 1,78 dt/ha mehr geerntet. Von insgesamt 18 getesteten Sorten 2015 reagierten 16 mit Ertragszuwächsen, zwei zeigten Ertragsverluste.
Verzögerte Ernte erleichtert den Drusch
Der Vergleich der beiden Erntetermine in beiden Versuchsjahren zeigte, dass der überständige Raps deutlich besser im Stroh abgereift war. Die Messung der Spreu bzw. Schoten 2014/15 ergab einen durchschnittlichen Feuchtegehalt von 12,4 % zum ersten Erntetermin und einen etwas geringeren Wert von 10,5 % zum zweiten Termin. Bezüglich der Stängelreife wurden zum ersten Erntetermin Wassergehalte zwischen 50 und 60 % gemessen. Zum zweiten Erntetermin war die Reife deutlich vorangeschritten (siehe Abb. 2). Auffällig bei der Untersuchung der Wassergehalte im Stängel war, dass die Sorten, die bereits zum ersten Erntetermin geringere Wassergehalte aufwiesen, deutlich mehr Feuchtigkeit verloren haben, als die Sorten mit einem höheren Wassergehalt. Auch die Tatsache, dass der Wassergehalt in den Schoten relativ konstant blieb, lenkt den Fokus auf die Stängelabreife. Die Ergebnisse aus 2015 bestätigen ebenfalls die Beobachtungen aus dem Versuchsjahr 2013/2014. Das Schotenpaket war oftmals schon reif, bevor das Stroh druschfähig war.
Was heißt das für die Praxis?
Beginnt die Ernte zu früh, werden Ertragsverluste durch mangelnde Druschfähigkeiten riskiert. Wird der optimale Abreifezeitpunkt verpasst, ist die Gefahr groß, Ertrag durch Vorernteverluste oder extreme Wetterbedingungen zu verlieren. Die Versuche haben gezeigt, dass praxisübliche Erntetermine – speziell bei Sorten mit hoher Stängelfeuchte – oftmals zu früh gesetzt werden und dadurch Erträge verschenkt wurden.
Der Raps kann ein „Stehenlassen“ vergleichsweise gut tolerieren, da die Vorernteverluste in durchschnittlichen Jahren auf einem relativ niedrigen Niveau liegen. Je nach betrieblichen Kapazitäten und der Wetterlage kann ein leicht verzögerter Erntetermin die Stängelabreife fördern, die Mähdruschfähigkeit und auch den Ertrag erhöhen.
Wolfgang Dähn und Dania Bornhöft