Einige Agenzien verloren an Wirkung bis zur vollständigen Unwirksamkeit. Daher werden verschiedene Resistenzmanagementstrategien diskutiert, wobei sich in einem Punkt alle Experten trotz teils gegensätzlicher Auffassungen einig sind: Resistenzentwicklungen können allenfalls herausgezögert, nicht jedoch gänzlich verhindert werden. Immer weniger neue Wirkmechanismen werden zugelassen. Das zeigt deutlich, dass die Produktivität des Ackerbausystems mit weniger Agrarchemie abgesichert werden muss. Die größte Herausforderung ist daher, die bisher einzigartige Effektivität des chemischen Pflanzenschutzes so lange wie möglich zu erhalten. Dabei ist eine Verringerung der Anwendungshäufigkeit resistenzgefährdeter Wirkstoffe der Schlüssel zum Erfolg. Sortenresistenz kommt dabei neben anderen Faktoren eine Schlüsselrolle zu.
Fungizidresistenz – eine logische Konsequenz aus der Fungizidwirkung
Um die Rolle der Getreidesorte einordnen zu können, muss man die Entstehung und die Entwicklung von Fungizidresistenz verstehen.
Mutation und Selektion sind die Motoren der Evolution. Mutation sorgt für Eigenschaftsvielfalt und ermöglicht die Anpassung der Erregerpopulation an die Umweltbedingungen. Resistente Pilzstämme besitzen unter Fungizidschutz einen erheblichen Konkurrenzvorteil gegenüber den nicht resistenten Artgenossen, weil sie nicht wie diese bekämpft werden. Zunächst machen sie nur einen geringen Teil Schaderregerpopulation aus und sind daher bei Einführung des entsprechenden neuen fungiziden Wirkstoffes für die Bekämpfungsleistung vollkommen unbedeutend. Oft bricht ihre Subpopulation auch wieder zusammen. Relevant wird sie erst, wenn die Resistenz vermittelnde genetische Ausstattung so stark im Feld vertreten ist, dass diese Subpopulation nicht von alleine wieder „verschwindet“. Dann geht es nur noch um Selektion: Also um die wiederholte Trennung fungizidtoleranter von fungizidsensitiven Stämmen. Sensitive Stämme sterben durch den Wirkstoff, tolerante überleben und pflanzen sich fort. Ihre Eigenschaften bleiben erhalten, die der sensitiven Stämme gehen verloren. Von Beginn an beeinflusst also ein Getreidefungizid über Selektion seine Umwelt. Der chemische Pflanzenschutz befindet sich damit im Dilemma einer naturgegebenen Gesetzmäßigkeit: Gerade weil ein Fungizid effektiv wirkt, verliert es aufgrund seines hohen Selektionsdrucks mit der Zeit an Wirkung.
Drei treibende Faktoren beeinflussen die Gefahr einer Fungizidresistenz:
- Vielfalt der Bekämpfungsmaßnahmen: Je einförmiger die zur Bekämpfung erfolgenden Maßnahmen, umso wahrscheinlicher ist die Anpassung durch einfache Mutation.
- Einsatzhäufigkeit eines Wirkstoffes: Je häufiger ein fungizider Wirkstoff eingesetzt wird oder/und je höher die Wirkstoffmenge ist, umso stärker der ausgeübte Selektionsdruck.
- Populationsgröße: Je größer die Anzahl der Pathogenstämme im Feld ist, umso wahrscheinlicher wird das Auftreten von Resistenz vermittelnden Mutationen. Die drei Faktoren hängen zusammen: So sind bei einer hohen Populationsgröße mehr Fungizidanwendungen sowie wahrscheinlich auch höhere Aufwandmengen notwendig. Kommt dann noch eine einseitige Wirkstoffwahl hinzu, ist der Dreiklang maximal negativen Handelns vollständig. Die Populationsgröße des Erregers durch ein intensives Fungizidregime zu vermindern und damit Resistenzentwicklungen vorzubeugen, ist ein weit verbreiteter Trugschluss. Die Eigenschaftenvielfalt ist im Frühjahr bereits aus der sexuellen Vermehrung im Vorjahr festgelegt (Septoria-Blattdürre). Damit befinden sich die Resistenz vermittelnden Mutationen bereits zu Beginn der Saison zu einem bestimmten prozentualen Anteil im Feld.
Die Vermehrung im Frühjahr erfolgt dann über Klonung der Pyknosporen. Egal wie hoch der Bekämpfungserfolg in der Fungizidstrategie ist, das Vorkommen resistenzvermittelnder Merkmale ist zu Beginn der Saison gesetzt. Der Anteil dieser Merkmale an der Gesamtpopulation erhöht sich danach mit jeder Fungizidbehandlung. Die Selektion ist daher von übergeordneter Wichtigkeit für den Fungizideinsatz im Sinne einer Resistenzvermeidungstrategie. Die Populationsgröße, sowie die Einwirkdauer mutagener Effekte kann im Herbst nur durch nicht chemische Verfahren vermindert werden: durch gründliche Einarbeitung der Pflanzenreste im Herbst, nicht zu frühe Aussaat, tolerante Sorten.
Doch das Prinzip einer „Grundreinigung“ im Frühjahr kann auch funktionieren: Vor allem bei Mehltau und Rost wird durch eine einmalige Behandlung zum Befallsbeginn der Befall mit maximaler Effektivität gemindert. Hierdurch werden spätere Anwendungen oft gänzlich vermieden. Der positive Effekt in der Resistenzvermeidungsstrategie geht hierbei primär auf die Verminderung der Selektionshäufigkeit zurück.
Der Vorteil von Wirkstoffmischungen in Resistenzvermeidungsstrategien wurde wissenschaftlich nachgewiesen. Gleiches gilt für die Reduzierung der Verwendungshäufigkeit durch abwechselnde Anwendung verschiedener Wirkmechanismen. In diesen Fällen schützen sich die Wirkstoffgruppen gegenseitig. Wichtig ist aber: Man kann eine Wirkstoffgruppe nicht mit sich selbst schützen! Mehrfachapplikationen z. B. mit Triazolen haben immer einen negativen Effekt. Erfolg verspricht der abwechselnde Einsatz verschiedener Wirkstoffgruppen vor allem, solange auf nicht-selektive Wirkstoffe wie das Chlorthalonil zurückgegriffen werden kann. Der angesprochene Wirkstoff ist aktuell ein entscheidender Baustein im Resistenzmanagement vor allem bei Septoria tritici. Seine erneute Zulassung für das aktuell letzte chlorthalonilhaltige Präparat (Amistar® Opti) im Jahr 2019 ist jedoch fraglich. Chlorthalonil als nicht -selektive Bekämpfungsmaßnahme, muss spätestens dann durch Sortenresistenz ersetzt werden.
Pilzbefall weitestmöglich ohne Behandlung reduzieren
Einfach auf Fungizide völlig zu verzichten, bedeutet meist einen Ertragsverlust und ist im konventionellen Anbau keine wirtschaftliche Lösung. Will man die Wirksamkeit des chemischen Pflanzenschutzes erhalten, muss die Wechselwirkung der Fungizide mit den Schaderregern eingeschränkt werden. Der Pilzbefall muss möglichst ohne Fungizide reduziert werden. Dabei spielt die Sortenresistenz eine wichtige Rolle: Eine wenig anfällige Sorte bedingt ein späteres und schwächeres Ausbrechen der jeweiligen Krankheit.
Im Ergebnis muss ein Fungizideinsatz weniger häufig und wenn dann in geringerer Aufwandmenge erfolgen, der Selektionsdruck wird dadurch verringert. Die Sortenresistenz wirkt hier ähnlich wie ein Mischungspartner in einer Wirkstoffmischung. Gleicht man dem gegenüber eine fehlende pflanzliche Abwehr durch Fungizidschutz aus, wird der Selektionsdruck noch verstärkt und die Resistenzentwicklung weiter vorangetrieben. Bei sehr anfälligen Sorten ist dies leider oft unumgänglich, sonst drohen Ertragsverluste. Im Kontrast hierzu gibt eine hohe Krankheitstoleranz einer Sorte ihrem Anbauer Spielraum bei Behandlungsentscheidungen, da diese sich durch eine langsamere Ausbreitung der Erreger auszeichnen und den Einfluss von Fehlentscheidungen minimiert.
Sorte mit unterschiedlichen Krankheitstoleranzen im Betrieb kombinieren
Die Praxis zeigt, dass eine sehr gesunde Sorte selten gleichzeitig sehr hohe Erträge bringt. Außerdem gilt wie bei den Fungiziden: Je häufiger eine spezifische Sortenresistenz eingesetzt wird, desto schneller verliert auch sie ihre Wirksamkeit. Man muss die Vielfalt der Sorteneigenschaften mit einer an diese Eigenschaften angepassten Fungizidbehandlung bzw. Behandlungsfolge kombinieren. Bezogen auf Blattkrankheiten muss die Fruchtfolge als „Eigenschaftsfolge“ begriffen werden.
Ein Beispiel: Erreicht der Zwergrost der Gerste lediglich in einer von zwei angebauten Sorten bekämpfungswürdige Befallsstärken, muss diese Krankheit auch nur hier intensiv bekämpft werden. Steht als Zweites eine rostunempfindliche, aber mehltauanfällige Sorte, muss diese nicht vorrangig gegen Rost behandelt werden. Die Anwendungshäufigkeit / die Aufwandmenge des Mehltau- bzw. des Rostpräparates kann im Verhältnis zu einer Anbausituation mit nur einer Sorte minimiert werden.
Dies mindert den Selektionsdruck sowohl im Hinblick auf Fungizidresistenz als auch in Bezug auf die Brechung von Sortenresistenz. Mit einer solchen Strategie werden die Ressourcen im Wirkstoffspektrum sowie auch im genetischen Portfolio der Sortenresistenzen nachhaltig geschont. Zusammengefasst ergibt sich neben der Fruchtfolge bei Kombination von Sorten mit verschiedenen Eigenschaften eine Eigenschaftenfolge (im einzelnen Fruchtfolgeglied).
Sortenresistenz so ökonomisch wie das Ertragspotenzial
Man muss sich vor Augen halten, dass Sortenresistenz einen Geldwert hat. Sie ermöglicht einerseits, Fungizide einzusparen, was Kosten reduziert. Von in jedem Fall übergeordneter Wichtigkeit ist jedoch ein anderer Effekt: die Minderung der Resistenzselektion. Die Sortenkenntnis ermöglicht eine an den Resistenzeigenschaften orientierte reduzierte Behandlung.
Achtung: Auch die Sortenresistenz, insbesondere eine solche mit rassenspezifischer Wirkung, lässt über die Anpassung von Schaderregerpopulationen mit der Zeit nach. Dies geschieht umso schneller, je häufiger die Sorte eingesetzt wird. |
Allgemein bleibt Vielfalt der Schlüssel zum Erfolg. Mit Vielfalt zu arbeiten macht die Arbeit komplizierter, aber auch nachhaltig erfolgreicher.
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